Druckversion von "Hässliche Familiengeheimnisse" auf webjournal.ch


Artikel vom 21.10.2009

Ottokars Cinétips

Hässliche Familiengeheimnisse

Mehr als simple Krimi-Unterhaltung ist nicht nur Stieg Larssons packende Roman-Trilogie, auch die Verfilmung des ersten Buches hält den Zuschauer zweieinhalb Stunden lang in Atem

Von Ottokar Schnepf



Der Vormund terrorisiert sein Mündel, dieses schlägt mit doppelter Kraft zurück und hinterlässt ein Opfer mehr auf seinem Rachefeldzug gegen eine unmenschliche Männerwelt.


«Män som hatar kvinnor» (Männer, die Frauen hassen) lautet der Originaltitel des Buches und des Films. Auf Deutsch hingegen, unpassend wie so oft, heissen Buch und Film «Verblendung». Unter diesem Titel wird er auch bei uns angekündigt. Ein Glück wird er im Original und nicht deutsch synchronisiert gezeigt. Die Adaption des ersten Bandes von Stieg Larssons Krimi-Trilogie unter der Regie von Niels Arden Oplev ist bestens gelungen.

Der Film hat erfrischend viel Ballast des Romans abgeworfen und verzichtet auf etliche Dialoge, die sich im Film als überflüssig erwiesen haben. Leider konnte der schwedische Buch-Autor Larsson nicht mehr miterleben, wie seine Helden Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist die Leinwand eroberten und alleine in Schweden 1,19 Millionen Menschen in die Kinos lockten: Er starb 2004 an einem Herzinfarkt.

Lisbeth Salander ist die eigentliche Hauptfigur der Geschichte und mit Noomi Rapace perfekt besetzt: Ein Computergenie, unnahbar und hochintelligent und nach einer Jugend in der Psychiatrie entmündigt. Ausgestattet mit Piercings, Stachelhalsband und schwerem Schuhwerk stiefelt sie verbissen wehrhaft durch den Film, im Krieg mit den Männern dieser. Welt. Denn nicht nur um Männer, die Frauen hassen geht es in Larssons Krimi. Es gibt auch Frauen, die Männer hassen.

Wie gross dieser Hass sein kann, erfährt Salanders Vormund. Nachdem er sein Mündel unter Druck gesetzt und vergewaltigt hat, schlägt sie brutal zurück; nicht mit den Waffen der Frau, sondern viel effizienter. Sie trifft auf Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist, in Schweden ein gefeierter Star), der im Auftrag des Industriellen Henrik Vanger das Rätsel um Vangers Nichte Harriet lösen soll, die vor über 40 Jahren spurlos verschwand.

Journalist Blomkvist, der sich mit Enthüllungen und kriminalistischem Spürsinn einen Namen gemacht hat, beginnt zu recherchieren - und stösst auf hässliche Familiengeheimnisse und einen psychopathischen Frauenmörder. Deshalb auch der Originaltitel «Männer, die Frauen hassen». Sie sind auch der Grund für Lisbeth Salanders dauernden Kriegszustand.

Ihr kompromissloser Rachezug und die Annäherung an den Menschen und Mann Blomkvist, mit dem sie ein Team wird und gemeinsam den Fall aufklärt, packen und berühren einen und sorgen dafür, dass über zwei Stunden Filmhandlung nicht lang werden. Selbst wenn man das Buch gelesen hat und den Mörder im voraus kennt.


Von Ottokar Schnepf



Druckversion erzeugt am 11.03.2021 um 03:42