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Artikel vom 01.11.2006

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Im Fokus der Autoren

Das «liberale Umfeld» ist ein Fatalismus

Die wirtschaftsfreundliche Presse passt ihre Argumente so an, dass sie immer recht behält

Von Mitch Reusdal



Es gibt leider nicht alles bei der Post, die neuerdings «Die Schweizerische Post» heisst. Fehlen tun (vorerst noch) Cigares, Glacés und Kaffifertig sowie Gomfi-Schnitten.


Seit «20minuten» und erst recht seit der Abendzeitung «heute» ist der «Blick» zu einer richtigen Intellektuellen-Zeitung aufgestiegen. Er überrascht immer wieder mit erstaunlichen Artikeln.

Aber manchmal auch nicht. So bemerkte er kürzlich, dass die Wirtschaft in der Schweiz «brummt», was wohl heissen soll, dass sie mit erhöhter Tourenzahl läuft, doch dass viele Schweizer am Arbeitsplatz immer stärker unter Druck stehen.

Warum sollte das ein Widerspruch sein? Gerade deshalb, weil der Druck am Arbeitsplatz gross ist, brummt und wächst und floriert die Wirtschaft. Die Arbeitnehmerschaft muss zum gleichen Lohn oder zu weniger Lohn mehr arbeiten («krüppeln» ist ein bildhafterer Ausdruck). Die Rechnung, die sich daraus ergibt, ist einfach. So viel Lohn, so viel Leistung. Ergibt so viel Ertrag.

Der Aufschwung ist da!, jubelt die Fachpresse (aber nicht zu laut, um keine schlafenden Hunde zu wecken). Da kann man nur sagen: «Wunderbar.» Endlich zahlen sich Lohndrückerei, Flexibilität, Billig-Jobs und so weiter aus. (Bei der Post sind Lohnkürzungen angekündigt.)

Die Arbeitskosten sind zu hoch – aber nicht alle

Kürzlich lamentierte am Fernsehen wieder einmal ein Wirtschaftsfachmann, dass die Arbeits- und Lohnkosten in der Schweiz zu hoch seien. Er hatte aber nicht die Löhne der Abzocker in den Teppichetagen gemeint. Und die Mitgliedschaft im Golfclub, wo sich die Geschäftsleute treffen, fällt auch nicht unter die Arbeitskosten.

Dieses Durcheinander von Meinungen, Prognosen, Stellungnahmen und Jeremiaden (biblische Klagelieder) ist ganz erstaunlich. Was gerade opportun ist, wird verkündet. Es kann auch sein, dass einmal jemand die überraschende Feststellung macht, dass die Schweiz ein bevorzugtes Investitionsland ist. Warum wohl? Weil die Löhne und Arbeitskosten zu hoch sind?

Die Post und ihre Kerngeschäfte

Die Post nimmt in diesem Wirtschaftskrimi eine besondere Stellung ein. Sie will Stellen abbauen (oder muss es tun, sagen andere), um konkurrenzfähig zu sein. Das heisst, dass die Kunden und Kundinnen am Schalter länger warten und mit ihrer Wartezeit, die ja auch irgendwie verrechnet werden muss (das haben wir jetzt gelernt), die Post mitfinanzieren.

Dafür verkauft die Post Haribo macht Kinder froh und Schokoladeneier und Ramsch-Literatur und Klebebänder, alles bekanntermassen Kerngeschäfte der Post. Dafür muss sie sparen und Stellen streichen. Wie ist es möglich, so etwas zu erklären, mit welchen Argumenten und welchen Aussichten?

Götzendienst und Orakelkunst

Erst kürzlich machte sich ein proliberaler Journalist mit der Bemerkung verdächtig, die Post müsse sich wandeln, um «im liberalen Umfeld bestehen» zu können. Immer das liberale Umfeld, das wie eine Naturgewalt den Lauf der Dinge prägt. Das liberale Umfeld macht es möglich... Das liberale Umfeld verlangt dass... Das liberale Umfeld ist die Erlösung aller Probleme. Unsinn! Das liberale Umfeld ist ein Fatalismus! Wir bedienen einen Götzen und unterwerfen uns willig seinen Orakeln.

Warum sollen wir uns nach diesem Monstrum richten und warum nicht es Rücksicht nehmen auf uns?

Naja, ich weiss schon, wie der Hase läuft. Wahrscheinlich profitieren einige vom liberalen Umfeld und erklären ihre Interessen zu allgemeinen Gesellschaftsregeln.

Von Mitch Reusdal


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