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Artikel vom 27.05.2006

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Mit Stumm unterwegs

Move for Life

Ein neues Kapitel im Auftragsbuch des Unternehmens Littmann Kulturprojekte

Von Reinhardt Stumm



Robert Rauschenberg: «Ozone».

Sechs Lastwagen transportieren nicht nur Güter, sondern sind mobile Kunstwerke. Die Seitenwände der Auflieger sind nicht mit Werbeflächen, sondern mit gedruckten Bildern von veschiedenen Künstlern versehen: «Move for Life» nennt sich diese «mobile Kunst-Intervention», die der Kunstmanager Klaus Littmann im Vorfeld der Kunstmesse «Art 37 Basel» (14. bis 18. Juni 2006) gegen «Armut, Aids, Gewalt, Rassismus und Umweltzerstörung» auf Europas Strassen schickt.

Die bemalten Lastwagen – sechs nagelneue Sattelschlepper – gehören dem Heilbronner Fuhrunternehmer Klaus Mezger, der 240 Fahrzeuge vom 40-Tonnen-Format auf den Strassen hat.

Die Idee – die Seitenwände der sechs Auflieger als Werbeflächen für Vernunft zu brauchen – gehört Klaus Littmann, dem Basler Erfinder von Kulturprojekten, der uns zuletzt mit Engel, Punktleuchten und Strassenbildern daran erinnerte, dass Geldverdienen viel ist, aber nicht ganz alles. «Move for Life» heisst die neue, zunächst einmal auf drei Jahre angelegte Aktion, die zum Nachdenken Anlass geben möchte. «Move for Life» ist durchaus doppeldeutig zu lesen – «Bewegung für Leben» oder «Rette sich wer kann!»

Die Aktion will auf ziemlich neue Weise ziemlich alten und ziemlich neuen Seuchen zuleibe rücken. Sie geht von dem Glauben aus, dass Nachdenklichkeit Folgen haben kann. Armut, Aids, Gewalt, Rassismus, Umweltzerstörung stehen auf dem Programm - und wer beim Lesen dieser Stichwörter den Gähnkrampf bekommt, weiss, wie schwierig es ist, überhaupt nur Gehör zu finden.

Aber hier wird mit Überraschungseffekten gerechnet. Wer künftig auf Rastplatz oder Parkplatz, an Tankstelle oder vor der Ampel einen dieser Trucks stehen sieht, muss zumindest neugierig werden. Nicht Mineralwasser oder Bier oder spanisches Gemüse wird hier angepriesen, hier wird unverblümt an menschliches Elend, an von uns allen mitverschuldete Not erinnert.

Mit reizvoller Gestik, sozusagen. Denn das wissen wir nicht erst seit Brechts Dreigroschenoper, dass die Polizei holt, wer zu aufdringlich von Bettlern belästigt wird. Littmann verliess sich abermals auf bewährte Methoden. Unser Glaube an die Bedeutung von Kunst schützt Künstler vor falschen Fragen. Auch vor richtigen natürlich, aber das Risiko ist überall.



Daniele Buetti: «tomorrow».


Sechs Künstler machen den Anfang. Zu ihnen gehört – und das ist staunenswert – der achtzigjährige Vater der Pop-Art Robert Rauschenberg, der immer noch die Ansicht vertritt, dass Kunst da am wirkungsvollsten ist, wo sie die Wirklichkeit der Welt abbildet. Zu ihnen gehört Jochen Gerz (*1940), der sagt, dass der Hunger in der Welt schlimmer ist als der 11. September 2001 – er tötet Menschen, wo keine Kameras stehen. Zu ihnen gehören der Schweizer Daniele Buetti (*1955), der Holländer Joep van Lieshout (*1963), dessen Vision die der Null-Energie-Stadt Slave City ist, in der alles recycled wird, sogar die Einwohner. Und der 1966 in Wolfenbüttel geborene Franz Burkhardt, ein Jungmeister bissigster Aphorismen. Und die Chinesin Xia Zheng (*1979), die gerade in Zürich ihren Diplomabschluss gemacht hat. Auch was sie auf die Seitenwände brachte, ist Standbild einer unendlichen Geschichte – Röntgenaufnahmen amerikanischer Grenzpolizei, die in Lastzügen versteckte Immigranten sichtbar machen.

Get moving: Ungefähr 250 000 Kilometer legt ein Lastzug im Jahr zurück. Zeit genug, ihn gründlich zu betrachten. Zeit genug für den Betrachter, sich selber zu testen: merkt er überhaupt noch etwas? Oder interessiert er sich gerade noch für die malerische Qualität dieser Arbeiten?

Einer der Lastzüge wird als Beispiel an der «Art 37 Basel» (14. bis 18. Juni 2006) zu sehen sein. Inzwischen sucht Littmann nach weiteren Fuhrunternehmern, die Lust haben, mitzumachen. Dazu bedient er sich der besten Methode überhaupt: Die sechs Lastzüge werden Köder in den nächsten Wochen in einigen europäischen Metropolen vorgestellt. Noch besser: Man kann sie in Zukunft von vielen Strassenrändern aus in ganz Europa sehen.



Xia Zheng: Schmuggelware Mensch - muss man wissen -, denn das sind Chinesen, aufgenommen von einem Röntgenpparat der US-Grenzpolizei.

Von Reinhardt Stumm

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Link zu «Art 37 Basel» (deutsch)

• Link zur Homepage «Art 37 Basel» (englisch)


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