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Artikel vom 20.03.2005

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Mit Stumm unterwegs

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Legts zu dem übrigen!

Die Goetheanum-Bühne setze ihre Aufführungsreihe zu Schillers zweihundertstem Todestag am 9. Mai 2005 mit «Maria Stuart» fort

Von Reinhardt Stumm



Maria Stuart (Catherine Ann Schmid)



DORNACH.- Schiller schrieb «Maria Stuart, ein Trauerspiel» nach dem «Wallenstein». Er brauchte – seine eigene Rechnung - siebeneinhalb Monate für das Stück. Es wurde am 14. Juni 1800 in Weimar uraufgeführt.

Einmal mehr musste Schiller den «poetischen Kampf mit dem historischen Stoff» bestehen, der eine «Neigung zur Trockenheit» hat. Am 18. Juni 1799 schrieb er an Goethe: «Ich fange schon jetzt an, bei der Ausführung mich von der eigentlich tragischen Qualität meines Stoffs immer mehr zu überzeugen, und darunter gehört besonders, dass man die Katastrophe gleich in den ersten Szenen sieht, und indem die Handlung des Stücks sich davon wegzubewegen scheint, ihr immer näher und näher geführt wird.»

Den Ball da aufzunehmen, muss der Ehrgeiz jedes Regisseurs sein. Wo wird aus Unglück Verhängnis, aus einer Geschichte eine Tragödie – und das heisst, das Unabwendbare? Es gibt keine fehlerfreie Entscheidung, tu, was du willst, es führt ins Verderben.



Maria Stuart und Mortimer (Patrick Exter)



Ob Königin Elisabeth von England das Todesurteil für Maria Stuart unterschreibt oder nicht, ob Maria Stuart dem falschen Glauben abschwört, auf ihren Thronanspruch verzichtet und Elisabeth als rechtmässige Königin anerkennt oder nicht, wenn der Vorhang aufgeht, sind die Würfel schon gefallen.

Schiller hatte die Witterung dafür, wie er sie immer hatte – ob vorher bei Fiesco, Don Carlos oder Wallenstein, ob, später, bei der Jungfrau von Orleans oder der Braut von Messina.



Maria Stuart mit ihrer Amme Hannah (Mirjam Hege)



Maria Stuart steht und fällt mit den beiden Frauenrollen, steht und fällt mit der Kunst, das Doppelbödige, das Mehrdeutige in ihnen zu finden. Privates mischt sich mit Politischem, Gewissen mit Gewissenlosigkeit, Angst mit Mut, Zuversicht mit Hoffnungslosigkeit. Zorn und Verzweiflung sind ebenso Motoren der Handlung wie Neid und Eifersucht.

Wenn Schiller als Theaterautor heute so berühmt ist wie zu seinen Lebzeiten, dann hat das damit zu tun. Menschen auf der Bühne sind langweilig, wenn sie, wie die modischen Musterpuppen von heute, das Programm herunterbeten, das wir ihren Erfindern abkaufen sollen, sie sind dann spannend, wenn alles schiefgeht, wenn es kein Programm gibt, keinen Ausweg, keine Lösung des Problems – und also ein bisschen so, wie bei unseren Nachbarn oder am Ende wie bei uns selbst.



Graf Shrewsbury (Johannes Händler)



Die Titelrolle dieser Inszenierung für die Goetheanum-Bühne spielt Catherine Ann Schmid. Genau, klein, klar, Haltung und Gang von beneidenswert reinem Impuls, vollkommene Beherrschung des Gestus, ohne jeden Aufwand. Jedes Wort hat sein Gewicht und ist klar verständlich (was sich nicht von jeder Rede an diesem Abend sagen lässt). Das Kostüm – ganz in Schwarz, nur der elegante weisse Tudorkragen als Kontrast - ist ganz offensichtlich von historischen Bildern inspiriert und doch von einer hinreissenden Eleganz, die historischen Mief gar nicht zulassen.

Die Gegenspielerin - ganz anders geartet. Ist Maria die vom Unglück Ergriffene (in jedem Sinne des Wortes), die auch noch das Abstruse, das Bedrohliche einer beherrschten Sanftmut zu unterwerfen weiss, ist Barbara Stutens Elisabeth eine nervöse, leicht beirrte, unsichere, aus Selbstschutz auch durchaus theatralische Frau, die immer neu Mühe hat, sich zwischen politischer Klugheit und privatem Affekt zurechtzufinden. Nicht immer lässt sich so leicht erkennen, wo Schillers Sympathien lagen. Elisabeths Ränke sind mehr verwerflich und hässlich als notgedrungen und hilflos. Der Grundton der englischen Königin ist rot, die Farbe der Aggression.



Baron von Burleigh (Peter Engels)



Der Burleigh von Peter Engels ist fabelhaft, kalt, rational, unfehlbares Urteil, undurchschaubar und unnahbar, ohne jede Steifheit, Sprechton und –duktus absolut. Engels sähe ich gern als Staatssekretär Antonio in Goethes Tasso. Von ihm kann Patrick Exter noch lernen. Sein Mortimer ist ein schlaksiger Gymnasiast, dem der Regisseur die eher peinlichen Attacken auf Maria (Schiller war 40, als er sich das ausdachte) durchaus hätte ersparen müssen.

Rührend der immer etwas atemlose und immer etwas zu späte alte Shrewsbury (Johannes Händler). Und natürlich Leicester, der Lord, der sich zum Schluss nach Frankreich verdrückt, ein windiger Bursche, der hier ein bisschen aussieht wie ein preussischer Ulanenoffizier, was ich sicher nicht denken sollte.



Königin Elisabeth von England (Barbara Stuten)



Die Regie hatte Jobst Langhans. Saubere Arbeit mit einem zwanzigköpfigen Ensemble, genau am Text. Etwas zu genau. Texttreue ist nicht alles. Die Schlussszenen, in denen Schiller das Heu einfährt, das schon dreimal vor uns gewendet wurde, sind ziemlich überflüssig und nehmen der Stück jede Dynamik. Da wartet man dann nur noch höflich darauf, dass die Schillerverehrung endlich aufhört. Schade.



Elisabeth



Denn diese Maria Stuart ist eine sehr respektable, in den kühlen, klug stilsierten Bühnenbildern von Clarissa Bruhn sehr sehenswerte, und eine sehr hörenswerte Theaterarbeit, die sich die Goetheanum-Bühne durchaus als Lorbeerblatt ins Knopfloch stecken darf.


Wiederholungen am 26. März, am 16., 17. und 30. April, am 1. und am 15. Mai und am 4. Juni 2005, jeweils um 19.30 Uhr.

PS: Vergessen Sie nicht (wie ich), die Parkuhr zu füttern, das kostet gnadenlos zehn Franken Vorzugsbusse an der Porte. Wenn Sie die nicht bezahlen, geht der Zettel an die Polizei…

Von Reinhardt Stumm

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