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Artikel vom 07.08.2004

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Rechtschreibung

Die Gämse wird wieder Gemse

Das webjournal.ch als Rechtschreibepionier…

Von Jürg-Peter Lienhard

So eine Ehre für das webjournal.ch: Die renommiertesten Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage Deutschlands - «Der Spiegel»- und der Axel-Springer-Verlag sowie die Süddeutsche Zeitung - folgen unserem Beispiel und kehren zur «alten» deutschen Rechtschreibung zurück!

Spass beiseite: Das webjournal.ch hat zwar bereits in seinem Editorial vom 17. Februar 2004 erklärt, dass sich die Redaktion nicht an die «neue» deutsche Rechtschreibung halten will. Dass Spiegel, Springer und die Süddeutsche nun ausgerechnet unserer Argumentation folgen, glauben wir ja selber nicht…

Aber es zeigt, dass unsere Argumentation gegen die «neue» Rechtschreibung nicht aus der Luft gegriffen ist und mit der Ankündigung dieser drei wichtigen deutschen Medien und Verlage Sukkurs erhält.

Absurde Änderungen

Die teils absurden Änderungen in der «neuen» Rechtschreibung sollten ebendiese «vereinfachen»: Statt Spaghetti, Spagetti, statt Portemonnaie, Portmonee und was der lächerlichen «Änderungen» mehr sind. Die «neue» Rechtschreibung erschien so, als ob deren Redaktoren sich auf den faulsten Schüler der Klasse mit den schwächsten Rechtschreibekenntnissen bezogen: der Schwächste sollte die Basis der «Vereinfachung» sein…

Nun hat sich aber gezeigt, dass die «Vereinfachungen» gar nicht vereinfachen; denn, dass Portmonee mit zwei «e» geschrieben werden muss, muss ja auch gelernt sein. Die «alte» Rechtschreibung musste genau so gelernt werden wie die «neue». Darum spielt es «lerntechnisch» eigentlich keine Rolle, welche nun gilt. Doch mit der Einführung der «neuen» Rechtschreibung war das Chaos programmiert: Jetzt kann man schreiben wie man will, es ist immer gleich recht wie gleich falsch…

Nützlichste Änderung vermieden

Dabei ist die Sprache etwas Lebendiges: sie ist ständig in Veränderung und nimmt ständig Neuerungen auf. Es hätte also genügt, wie bis anhin, Rechtschreibekorrekturen erst in neue Auflagen des Dudens aufzunehmen, wenn die Änderungen, Erneuerungen oder Einspielungen von Fehlern zum allgemeinen Sprachgebrauch geworden wären. Denken Sie nur an die neuen Worte, Abkürzungen und Schreibweisen, die der Computer fabriziert: «4u» für «for you», das Entfallen von Kupplungen: ComputerWelt, SonntagsZeitung etc.

Die wichtigste und echt vereinfachende Neuerung für die deutsche Rechtschreibung hingegen wurde bei der bürokratischen Sprachverfügung ignoriert und kleinlich vermieden: die Einführung der gemässigten Gross- (oder Kleinschreibung). Das wäre eine echte Vereinfachung gewesen, nicht nur für faule Schüler!

Sprache ist immer für Überraschungen gut

Nun besinnen sich also grosse deutsche Medien und Verlage auf die «alte» Rechtschreibung zurück - weil die neue ein Puff (schweizerisch für Unordnung) verursacht hat. Das ist zumindest aus den oben beschriebenen Gründen ein «Fortschritt» - ein begrüssenswerter selbstverständlich!

Weil Sprache eben etwas Lebendiges ist, ist sie immer wieder für Überraschungen gut: Plötzlich tauchen Worte, Begriffe, Elemente auf, die den Sprachbenützer vor Probleme stellen, die es zu regeln gibt. Dabei ist der «Duden» lediglich ein Hilfsmittel, keineswegs aber eine «Bibel».

Rechtschreibung wider Ästehtik

So haben meist die Zeitungsverlage ihren eigenen «Haus-Duden», mit dem sie gewisse Regeln des «absoluten Dudens» relativieren: Aus ästhetischen und lokalen Gründen. Beispielsweise wird in der schweizerischen Typographie das urdeutsche Scharf-S nicht verwendet: die Strasse hat dann zwei «s», statt das auch als «B» lesbare Scharf-S. Oder es wird klug fürs Ästhetische entschieden, dass keine drei gleichlautenden aufeinandertreffende Konsonanten gesetzt werden - selbst, wenn dies gemäss «Duden» erforderlich wäre. Das gilt für Schiffahrt ebenso wie für Papplakat oder fettriefend; es sei denn, die Worte müssen für eine neue Zeile getrennt werden.

Dazu kommen die verschiedenen «Helvetizismen», Worte und Begriffe, die nur in der Schweiz verwendet oder schweizerisch nur so geschrieben werden: Wissenschafter, statt Wissenschaftler; das «-ler» ist den SVPlern vorbehalten… Oder «das» Tram, statt «die» Tram, obwohl Tram eben von Tramway stammt - die Tramway… Saftworte oder Wortbomben, also Brachialbegriffe, sind auch nicht sehr als «schweizerisch» beliebt: «Eine Rede ist kein Pfeil; ein Furz kein Donnerkeil»… es sei denn, der Schreiber verwende sie mit Absicht als Stilblüte, als «Faust aufs sowieso schon blaue Auge»…

Haus-Duden für individuelle nützliche Regelungen

Die «Basler Zeitung», die «NZZ», der «Tagi», verwenden schon seit eh ihren verlagseigenen «Haus-Duden» - nicht zuletzt auch, um den ins Kraut schiessenden neuen Abkürzungen Herr zu werden: Kleinschreibung ab drei Zeichen mit grossem Anfangsbuchstaben, sofern die Abkürzung in Silben «ausgesprochen» werden kann, wie Uno, Seco, Buwal - im Gegensatz zu den Ausnahmen CVP, SVP, LDP oder AP, BP oder BS.

Damit unterlaufen und unterliefen die «federführenden» Medien in der Deutschschweiz schon immer das Regelwerk des deutschen «Dudens» und fuhren gut damit. Denn es gibt kaum rechthaberischere oder besserwissendere Menschen als Menschen, die sich einbilden, in Rechtschreibung «sattelfest» zu sein!

Millionen diskriminieren?

Nun machen also die deutschen Grossverlage Schluss mit dem Puff in der Anwendung der verschiedenen (!) Rechtschreibungen. Auch das ist gut so, denn die Millionen von Lesern, die mit der «alten» Rechtschreibung gross geworden sind, werden nicht so schnell aussterben. Diejenigen Kinder, die mit der «neuen» gegeisselt wurden, sind noch jung, können daher noch viel lernen…

Ich wünsche allen Lesern von webjournal.ch etwas Distanz zu den aufkommenden Rechthabereien um die «neue» und «alte» Rechtschreibung und hoffe, dass sie unserem Festhalten an der «alten» aufgrund obgenannter Argumente ein gewisses Verständnis entgegenbringen können. Wir bleiben uns treu und hoffen, dass Sie uns auch bleiben…

Von Jürg-Peter Lienhard


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