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Artikel vom 08.12.2020

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Corona

«Schweigen für die Kultur» - mit drei Videos

«Wortreich» stiller Protest für die Kultur

Die zweite Aktion «Schweigen für die Kultur» am Montag, 7. Dezember 2020, war eine noch beeindruckendere Lichterkette mehrheitlich junger Leute auf der langen Strecke vom Theater bis zur Kaserne

Von Jürg-Peter Lienhard



Der Abstand zwischen den Teilnehmern der Lichterkette wurde diszipliniert eingehalten. Bild: foto@jplienhard.ch © 2020


War schon die erste Lichterkette vom Stadt-Casino bis zur Mittleren Rheinbrücke vom Montag, 9. November 2020, eindrücklich, so war die zweite «Schweige-Lichterkette» einen Monat später am Montag, 7. Dezember 2020, noch eindrücklicher und länger und dauerte auch eine ganze Stunde. Die Aktion gegen das «Verschweigen» einer von Corona ausgegrenzten Kultur folgte einer Idee der gleichnamigen Aktion in Bern und wurde in Basel vom Stadt-Casino mitorganisiert.



Kultur geht vom Hirn direkt ins Herz und in die Seele… Bild: foto@jplienhard.ch © 2020

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Auffallend war das überwiegend junge Alter der Teilnehmer, die jeweils mit einer Kerze oder einem Kerzenlicht in den Händen, mit Maske um Mund und Nase sowie mit gehörigem Abstand stoisch schweigend die Trottoirs und die Strassen und Gässlein der Gross- und Kleinbasler Innenstadt säumten. Dieser Lichterzug erstreckte sich vom Theaterplatz zum Barfüsserplatz durch die Freie Strasse über die Mittlere Rheinbrücke und bis zum «alternativen» Kulturort «Kaserne.

Eindrücklich war das Erlebnis, dass die Lichterkette vor allem von den «Jungen» bestritten wurde, die normalerweise in einem Konzertsaal in der verschwindend kleinen Minderheit sind, während das Meer der «silbrigen Häupter» zumindest in den klassischen Konzerten das Publikumsbild prägen. Nun sind offenbar nicht nur Konzertgänger für klassische Musik, sondern auch des Fachs oder der Fächer auf die Strasse gegangen, die aus dem ganzen Spektrum der Kultur stammen: Vom Tanz, vom Theater, von der bildenden Kunst, vom Film/Video, von der Rock-Pop-Szene oder aller Gattig junger Leute, denen die Kultur nicht wurscht ist.

Ganz am Schwanz der Lichterkette, nur an ihrem Bündner Dialekt zu erkennen, aber vor allem nicht mehr zu den «Jungen» zu zählen: alt Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer, die als Privatperson eine eifrige Konzert- und Theaterbesucherin ist, gab ihrer Betroffenheit Ausdruck: «Maximal 15 Personen in einem Schauspiel, das ist mehr als traurig…»

Eine Gambistin, Schülerin in der «Akademie» wollte zwar nicht viel mehr von sich preisgeben, aber erklärte, dass ihr «die Hälfte meiner Seele auf Eis gelegt zu sein scheint».

Eine Musiklehrerin für ein Blasinstrument, noch keine dreissig, aus Deutschland, kam voller Hoffnungen hierher zur Weiterbildung an der Akademie, und müsste am Hungertuch leiden, hätte sie nicht einen Ehemann in einem anderen Beruf. Weil sie dadurch immerhin nicht betteln muss, wollte sie ebenfalls nicht viel mehr von sich preisgeben: «Ich habe einfach zu viele Kollegen und Freunde, die noch in einer ganz anderen Situation als ich stecken, die nämlich nicht einmal eine Stelle haben - für die muss es wie Hohn klingen, wenn sie über mich lesen.»

Ein guter und älterer Amateur-Jazzmusiker - im Beruf Jurist und Inhaber einer grossen Bude - stand in der Reihe mit seiner Partnerin: «In unserem Alter wären wir bei Regen nicht gekommen. Aber für die Sache stehen wir ein. Traurig ist jedenfalls, dass die Lichterkette ein Grabgesang für das ganze Kulturschaffen ist.»

Und auch ein alt Fussballstar - Fussballer-Schreihälse nennen ihn «legendär», wiewohl eine Legende eine kirchliche Sage ist - meinte aufrichtig bedauernd: «So ein Abgang hätten wir uns vom FCB damals nie träumen können, als Theaterleute und FCB-Fussballer gemeinsam den Cup-Sieg feierten…»

Ein «Pärchen», nicht etwa verkleidet als Polizisten, sondern es waren ein echter Schugger und ein Schugger-Mysli, schlenderten durch die Freie Strasse - beruflich selbstverständlich. Aber eine Meinung wollten sie nicht äussern, denn sie seien «schliesslich im Dienst». Aber dass ihnen an der Lichterkette etwas Ungattiges aufgefallen oder sie gar zum Einschreiten nötigte, verneinten sie lachend: «So traurig der Anlass auch ist, so problemlos tun sich die Teilnehmer verhalten.»

Wen ich nicht gesehen habe, da sie auf dem Land wohnt, ist Elisabeth Augstburger, alt Landratspräsidentin Baselland. Aber sie hat mir zum vorausgegangenen Artikel schrifltich Ihre Anerkennung geäussert. Damit nehme ich an, dass sie der Lichterkette und dessen Sinn positiv gegenübersteht.

Auf dem Rückweg Richtung Theater kreuzten sich meine Wege mit jungen Leuten in weissen T-Shirts mit dem Aufdruck «Kultur x Schweigen», die ins Foyer drängten. Offenbar Theaterleute, allem Anschein nach Tänzerinnen und Tänzer. Bis ich begriff, dass sie meine baseldeutsche Frage gar nicht verstehen konnten, war die aufgestellte Horde drin im Theaterbauch verschwunden: Wie ich noch hören konnte, stammen sie aus allen Ecken der Welt, nur nicht von Basel. Aber sie hatten den Zweck der Lichterkette verstanden und wussten, dass er auch sie betraf…

Schauen Sie sich via untenstehendem Link eine kurze Videoaufnahme auf Youtube an.

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Kurzes Video der Lichterkette rund ums Stadt-Casino Basel

• Weitere Videos von der LIchterkette

• Siehe Kommentar-Artikel vom 4.12.2020


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