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Artikel vom 31.08.2014

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Marché concours

«Franchement» - Basel am «Marché concours»

Der jurassische Präsident Juillard forderte vom anwesenden Bundespräsidenten eine neue Volksabstimmung zur Beziehung Schweiz und EU

Von Jürg-Peter Lienhard



Bundespräsident Didier Burkhalter und Gattin beehrte den Marché concours mit einer Stippvisite und einer Rede am Bankett vom Sonntag. foto@jplienhard.ch


Was Pferdestärke betrifft, dürfte der «Marché concours» in Saignelégier jeden Porsche oder Lamborghini alt aussehen lassen: Rund 1’000 Pferde nahmen am vergangenen Wochenende in der «Hauptstadt» der Franches Montagnes» an diesem traditionellen Treffen der «Freiberger»-Rösseler teil, das als besonderen Höhepunkt die meist spektakulären Darbietungen des Gastkantons Basel-Stadt zu bieten hatte und über 42’000 Besucher trotz vorausgegangener Unwetter anlocken konnte. Bundespräsident Didier Burkhalter legte gar extra einen Zwischenstopp auf seinem Weg an die Filmfestspiele von Locarno in Saignélégier ein, wo er vor dem grossen Umzug vom Sonntag als Gastredner des Banketts in der «manège» teilnahm. Für mehr hier klicken:



Traditionelle Eröffnung mit den Fahnen der Schweiz, des Juras und des Gastkantons Basel. foto@jplienhard.ch


Der Haupttag des «Freiberger-Wochenendes», der ausnahmsweise strahlend schöne und heisse Sonntag, lockte zudem eine richtige Völkerwanderung aus Basel an, weil Basel als der diesjährige Ehrengast nicht nur mit seinen eigenen «Herren-Reitern» sondern mit einem Festumzug aufmarschierte, der sich gewaschen hat: Unter dem treffenden Motto «franchement!Bâle» zogen 18 Formationen von Tambouren- und Pfeifer-Cliquen, dem schnarrenden «Top Secret Drums Corps», Chaisen, dem «Warteck»-Biertransport und historischen Kutschen, unter anderen aus dem Kutschenmuseum Brüglingen, ja sogar ein symbolischer Tiertransport des Zollis mit Gummi-Pinguinen und begleitet von Zolli-Wärtern, echt bewaffnet mit Besen und Schüüfeli, vor den begeisterten Publikumsrängen vorbei. Oldtimer-Karossen des Panthéon Basel mussten allerdings wegen des pfluttrigen Geländes wieder rechtsumkehrt nach Basel machen. Drei halbstündige Sonder-Einlagen der «City Jumpers», einer ad-hoc-Tänzerformation aus 30 Jugendlichen beider Kantone, rissen dabei die Zuschauer aus der ganzen Schweiz buchstäblich von den Tribünenbänken. Am Galakonzert vom Samstag glänzten das Basler Eurovisionsstarlet Anna Rossinelli und die Trommelformation «Basilikum» mit feurigen Einlagen auf «Leuchtstecken».



Der Gastkanton Basel zeigte sich von der besten Seite, und Regierungspräsident Morin drückte seine Sorge um die Grenzgänger-Situation aus. foto@jplienhard.ch


Die enorme Popularität dieser Veranstaltung von jurassischer «Welschness» jedenfalls liess sich weder «Basel Tourismus» noch Regierungspräsident Guy Morin entgehen. Und weil sowieso August ist, spielte er echt den «Grüss-August» schon am Samstag an der Konzertgala, unterstütz vom Grossratspräsidenten Christian Egeler. «Basel Tourismus» hatte mehrere Informations-Pavillons vor dem Eingang zur Arena aufgestellt, die die Vielfalt des kulturellen Lebens der Stadt widerspiegeln sollte, was zusammen mit den Darbietungen auch durchaus gelang. Dass Basel und der Jura eine mentale «Verwandtschaft» verbindet, ist nicht erst seit den jüngsten eidgenössischen Abstimmungen klar geworden, sondern könnte fast als «alte, bewährte Liebe» bezeichnet werden. Zumal die wunderbare Weidenlandschaft der «Franches Montagnes» mit ihren markanten Doubs-Schluchten seit jeher die Basler und mit ihnen die Künstler und Lebenskünstler anzog und auch jetzt immer wieder neue Liebhaber aus der Stadt gewinnt.



Beliebtestes Ausflugsziel jurassischer Schulkinder (und Familien) ist eben immer noch der Basler Zolli. Hier mit seinem symbolischen Tierpark aus dem Gross-Aquarium. Dahinter eine ganze Kolonne Tierwärter mit Besen und Eimer bewaffnet. foto@jplienhard.ch


Allerdings «filtert» die Sprachverständigung schon mal vorab ein ungesundes Überhandnehmen eines Massentourismus, was bislang der beinahe sprichwörtlich herzlichen Begegnung zwischen den beiden «Kulturen» keinen Abbruch getan hat. So trat der Basler Festbeitrag mit dem Motto «franchement!Bâle» durchaus mit diesem Schuss Charme im stolzen Selbstbewusstsein auf, was eben gut bei unseren welschen «compatriotes» ankommt. Und sprachgebildet ist das Motto auch, denn so einen treffenden Ausdruck wie «franchement», kennt die deutsche Sprache nicht, steht es doch im Dictionnaire Pons wahlweise für «offen, ehrlich, zur Sache kommen, klar, deutlich, also wirklich etc.» Und franchement: Basel ist ja das alles zusammen sowieso, aber in der deutschen Aufzählung tönte es eben grosssprecherisch - und das ist Basel dann doch nicht!



«Ritter Schorsch» stieg extra vom Basler Münster herab, um am Basler Umzug teilzunehmen. foto@jplienhard.ch


Immerhin hat der Basler Regierungspräsident in seiner Rede am Sonntag nicht ohne Stolz auf die 1’500 Arbeitsplätze hinweisen können, die auf Basler Initiative in den letzten Jahren im jüngsten Kanton geschaffen werden konnten. Der jurassische Regierungspräsident Jean Juillard verdankte dies mit Bezug auf die historische Vergangenheit beider Kantone mit der - wenigstens originellen - «métaphore»: «Bâle est le Grand-Pêre du Jura»… Honey soit qui mal y pense! Und vom Bundespräsidenten durften die Bankettteilnehmer, wenn sie es denn trotz der schepperden Lautsprecher verstanden, lernen, warum die Freiberge eine Pferdegegend ist: Als «Charles le Téméraire» bei Murten absecklen musste, hatten seine Ritter keine Zeit mehr, mit ihren blechernen Rüstungen aufzusteigen und liessen darum nebst ihrem Hab und Gut auch die Schlachtrosse stehen…

Politischer Zündstoff stand jedoch im Pressedossier, denn die Reden verstand man aufgrund der scheppernden Lautsprecher und des lauten Umgebungslärms nicht: Der jurassische und der Basler Präsident sprachen die Grenzgängersituation an, zumal beide Kantone auf Grenzgänger-Arbeitskräfte angewiesen sind. Der jurassische Präsident Juillard schlug gar eine neue Abstimmung vor. Doch der Bundespräsident ging nicht auf die Forderung ein, sondern sprach die jurassische Identität an, die er mit dem metaphorischen Wortspiel «belle et rebelle» umschrieb.




Vor (und nach) dem grossen Cortège des Gastkantons regnete es, weshalb trotz schönstem Wetter am Umzug der Boden pfluttrig wurde und den Lackschuhen der Musiker des «Top Secret Drums Corps» nicht unbedingt guttaten. foto@jplienhard.ch

Von Jürg-Peter Lienhard


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