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Artikel vom 20.03.2010

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Basel - Kultur

Turi Honeggers neuer Roman «Bedrohliche Tage»

Der Zürcher Schriftsteller war am Sonntag, 21. März 2010, Gast im Basler Schmiedenhof der ABG und sprach über seine Zeit als Verdingbub und über sein neues Buch

Von Redaktion



Nicht nur die Tage waren während des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz bedrohlich, sondern auch gewisse Eidgenossen: Buchumschlag von Turi Honeggers neustem Buch «Bedrohliche Tage».


Arthur Honeggers neues Buch «Bedrohliche Tage» ist die Geschichte einer Arbeiterfamilie kurz vor dem Kriegsausbruch 1939. Es geht dem Autor, genannt «Turi», darum, darzustellen, dass jene Zeit nicht einfach eine Zeit war, in der man sozusagen aus einem ruhigen Lebensabschnitt in den Krieg, der sich ja innert anderthalb Jahren zum Zweiten Weltkrieg entwickelte, hineingeschoben worden wäre.



Der Autor wuchs als Verdingkind auf, und aus dieser Zeit erzählte er im Rahmen der Verdingkinder-Ausstellung im Historischen Museum Basel. Foto zVg

Im Gegenteil: die Dreissigerjahre waren sozial und politisch nicht nur in Deutschland, sondern auch bei uns in der Schweiz eine Zeit des sozialen Aufruhrs, also eine sehr gefährliche Periode: Die schwerste Wirtschaftskrise des letzten Jahrhunderts liess auch bei uns viele Arbeiterfamilien und auch den Bauernstand in Not und Elend versinken.

Unser damals knapp vier Millionen Einwohner zählendes Land erlebte einen Stillstand, eine Krise, dazu soziale Unruhen, die in Genf 1932 den ersten, gefährlichen Höhepunkt erreichten: Nach einer Kundgebung wurde mit Maschinengewehren auf die Arbeiter geschossen, zehn Menschen wurden getötet, 65 verletzt. Die 9000 Kundgebungsteilnehmer hatten gegen die faschistische Union Nationale demonstriert. Erst nach der Kundgebung griff die Armee ein: Der Kommandant, Major Favre, verlor die Nerven und gab den Feuerbefehl.

In Zürich verbündeten sich 1933 die Freisinnigen, die Bauern, Gewerbe und Bürger-Partei (BGB, die Vorgängerin der heutigen SVP) mit den Fröntlern, einer faschistischen Bewegung, die später den Anschluss der Schweiz an Nazi-Deutschland forderte. Die Schweiz stand damals in einer politischen Zerreissprobe: Der deutsche Diktator Adolf Hitler war 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden – es war der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur.

Viele unserer Arbeitslosen schauten nach Deutschland, wo Hitler die Arbeitslosen in Arbeitskolonnen aufbot, wo sie um ein Gnadenbrot Autobahnen bauten. Was war da los in der Schweiz, was haben die einfachen Leute in der Schweiz in dieser Zeit der grössten Not gemacht? Über was wurde heftig diskutiert, wie ging das mit den faschistischen Fröntlern, wie kamen die Reden dieser politischen Verführer im einfachen Volk an?

«Bedrohliche Tage» ist die Geschichte jener Menschen, die in einem Gemeinwesen zusammenlebten, Sorgen und Nöte teilen, die aufbegehrten, die in Versuchung gerieten angesichts der deutschen, nationalsozialistischen «Erfolgsgeschichte»: Hitler holte Österreich heim ins Reich, danach des Sudetenland, dann annektierte er kaltblütig die Tschechoslowakei. Der Westen machte gute Miene zum bösen Spiel.

Bei uns trieben es die Fröntler immer bunter: Lautstark forderten sie den Anschluss an Nazi-Deutschland, antisemitische Ausfälle waren ihre Themen. Doch eine starke Arbeiterschaft, aber auch besonnene Bürgerliche, kämpft gegen Faschismus und nationalsozialistische Anpassen, die den Weg der Deutschen bewunderten.

In diesem Buch, diskutieren, zweifeln, kämpfen Menschen um ihre Existenz, um ihre Freiheit, gegen den Faschismus. Deutsche mit dem Hakenkreuz am Revers streifen durch unser Land. Doch 1939 findet das Volk mit der Landesausstellung einen gemeinsamen Weg um sich gegen die Bedrohung, die das Land in ihrem Bann hält, zur Wehr zu setzen.

Alle, die in diesem Buch eine Stimme haben, hat Turi Honegger persönlich gekannt, jeden einzelnen erlebt. Der Autor sagt von ihnen: «Es waren Menschen wie du und ich.»


Information

Turi Honegger: «Bedrohliche Tage», Roman. Huber Verlag Frauenfeld, Stuttgart, Wien. 200 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag ISBN 978-3-7193-1527-6


Turi Honegger liest in Basel

Auf Einladung der Allgemeinen Bibliotheken Basel der GGG Basel (ABG), erzählt der Journalist und Schriftsteller Arthur Honegger am Sonntag, 21. März 2010, um 10.30 Uhr in der ABG-Bibliothek im Schmiedenhof in Basel aus seinem Leben als Verdingkind. Das Gespräch mit Turi Honegger führt Gudrun Piller vom Historischen Museum Basel. Sie ist Projektkoordinatorin der Ausstellung «Verdingkinder reden», die noch bis zum 28. März 2010, dauert und eine sehr traurige Seite der jüngeren Schweizer Geschichte behandelt.

jpl.- Der Schriftsteller Turi Honegger hat sein Leben als Verdingkind in seinen Büchern und Schriften festgehalten. Diese Publikationen sind ein wertvolles Zeugnis über diese dunkle Seite unserer sozialen Vergangenheit und geben Tausenden von geknechteten, noch heute lebenden Schweizer Männern und Frauen, ehemaligen Verdingkindern, eine Stimme.

Als junger Wehrmann hat Honegger die Zeit um den Zweiten Weltkrieg selber miterlebt und als Schriftsteller nun auch seine Gespräche und Erlebnisse in diesem neuen Roman festgehalten. Der 1924 in Sankt Gallen geborene Honegger ist einer der ganz wenigen noch lebenden Zeitgenossen aus dieser schweizerischen Periode des Zweiten Weltkrieges, der aus eigener Anschauung und vor allem aus der Sicht des «gewöhnlichen» Schweizers darüber schreiben kann.

Sein Zeugnis ist um so wertvoller, weil es die Stimmung der Bevölkerung in dieser Zeit gewissermassen im Verhältnis eins zu eins wiedergibt. Zumal er als Arbeiter und ehemaliges Verdingkind diese Zeit aus einer ganz anderen Perspektive erlebt hat, als sie die Mehrzahl der Historiker akademisch und aus Aufzeichnungen der damaligen Politiker und Militärs beschreiben: Nämlich hautnah und unter dem Eindruck der sozialen Spannungen, die damals viele «Oberen» zu Opportunisten oder Sympathisanten der Nazis machten.



Von Redaktion

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Direktlink zum Historischen Museum und der Ausstellung Verdingkinder


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