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Artikel vom 03.09.2009

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Ottokars Cinétips

Der «gute» Nazi

«John Rabe» erzählt von den Heldentaten eines «guten» Nazis in China, der 1937 200'000 chinesische Bürger in Nanking vor dem mörderischen Terror japanischer Besetzungssoldaten schützte - ab Donnerstag, 3. September 2009, im Kino «Rex» in Basel

Von Ottokar Schnepf



Zweifelhafter Regie-Einfall: Der «gute» Nazi trägt eine Rotkreuz-Armbinde, statt des Hakenkreuzes…


Im Dezember 1937 hatte die mit den deutschen Nazis kollaborierende japanische Armee Nanking gestürmt. Mit ungezügelter Grausamkeit wüteten die Truppen des Tenno in der ehemaligen chinesischen Hauptstadt: Sie mähten die kriegsgefangenen Kuomintang-Soldaten mit Maschinengewehren nieder, schlachteten massenweise wehrlose Zivilisten ab, vergewaltigten Frauen und Kinder, verbrannten Menschen bei lebendigem Leib.

In den 90er Jahren hatten sich schon zwei chinesische Produktionen des Themas angenommen. Der Taiwanese Mou Tun Fei führt die Greuel in «Black Sun: The Nanking Massacre» anhand von historischen Filmaufnahmen und nachgestellten Szenen vor Augen; «Nanking 1937» vom Pekinger Regisseur Wu Ziniu stellt die Ereignisse aus dem Blickwinkel einer Familie dar. In beiden Filmen wird kein John Rabe erwähnt.

Desto mehr von ihm ist jetzt in Florian Gallenbergers Film zu sehen, um den es, wie es schon der Titel sagt, in der Hauptsache geht. «John Rabe» zeigt das Inferno von Nanking aus der Sicht eines deutschen Augenzeugen. Ausgehend von Rabes Tagebuchaufzeichnungen ist ein Drehbuch entstanden und wurde die Geschichte auf Hollywoodmanier «verbessert». Im Mittelpunkt steht ein biederer Kleinbürger aus Hamburg, der in grösster Not heldenmutig und tatkräftig über sich hinauswächst.

Als Direktor der Siemens-Dependance waltet Rabe schon seit 27 Jahren in Nanking. Beim Angriff der Japaner errichten er und seine Helfer eine knapp vier Quadratmeter grosse Schutzzone ein, die rund 200'000 Bürgern Unterschlupf vor den japanischen Invasoren bietet. «John Rabe» zeigt den Terror der Japaner und das Leid der Chinesen in erschreckenden Bildern, zum Glück jedoch ohne explizite Folter- oder Vergewaltigungsszenen.

Manche Ereignisse werden in historischen Filmaufnahmen vorgeführt, andere wiederum sind erfunden, wie der Nacktappell junger Mädchen vor einem japanischen Offizier auf der Suche nach einem versteckten chinesischen Soldaten. Zu den von Regisseur Gallenberg verwendeten Kunstgriffen gehört auch die idealisierte Darstellung der Hauptfigur, der keine Nazi-, sondern eine Rotkreuzarmbinde trägt, hingegen mit einer riesigen Hakenkreuzfahne die Fabrikarbeiter von den Bombenangriffen der nazifreundlichen Japanern verschont.

Was hingegen fehlt, sind Hintergründe von Rabes Psychologie, Hinweise auf die Komplexität seiner Position als Siemens-Vertreter in China. War er ein überzeugter Nazi oder ein aufopferungsvoller Tatmensch? Wir erfahren es nicht. Weil Gallenberger möglichst alles verfilmen wollte, was in einen zweistündigen Film verpackt werden kann, und dabei in überflüssigen Szenen den roten Faden verliert .

Die Person John Rabe wird gerne mit Oskar Schindler verglichen; Spielberg ist 1993 über den «Judenretter» ein dicht verwobenes menschliches Drama vor einem eindrucksvollen historischen Hintergrund gelungen, der es dem Publikum leicht macht, der Geschichte zu folgen. Diese Qualität fehlt «John Rabe».

Eine gute Geschichte macht noch lange nicht einen guten Film.

Von Ottokar Schnepf


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