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Artikel vom 23.08.2007

Reusdal räuspert sich

Billig ist teuer

Wer rechnet, macht eine Falschrechnung. Und wieso? Bitte hier weiterlesen…

Von Mitch Reusdal



Jedes Ding hat seinen Preis - und wenn es den nicht mehr hat, stimmt irgendwo irgendetwas nicht mehr: Das Thema ist schon lange auch Gegenstand von Büchern (siehe Link am Schluss).


Ein schnell erzielter Gewinn kann sich hinterher leicht als Verlust herausstellen. Man sieht nur die schlaue Ersparnis, aber vergisst, dass Folgekosten eintreten und Nachteile erwachsen können.

Hauptsache billig. Schnäppchen ist Trumpf. Wer rechnet, kauft länger. Könnte man meinen, aber die Rechnung geht nicht auf. Im Moment mag der Einkauf billiger sein, auf längere Sicht erweist er sich als Selbstbetrug. Man kann nicht genug vor Falschrechnungen warnen.

Dabei wäre alles so einfach zu verstehen. Eine ähnliche Ware, wie bei der Konkurrzen, die aber nur die Hälfte kostet, ist meist auch nur halb so viel wert. Rechne!

Die deutschen Billig-Anbieter verkaufen billiger als die Konkurrenz, aber die Löhne, die sie bezahlen, liegen auch unter denen der anderen Anbieter. Wer also billig einkauft, drückt die Löhne der anderen – und am Ende seinen eigenen. Die Rechnung kann so garantiert nicht aufgehen.

Von China nach Chiasso

Die «NZZ am Sonntag» hat kürzlich ein schönes Beispiel für eine solche Falsch-Kalkulation veröffentlicht. In Chiasso hat sich die Stadtbehörde entschlossen, für den Strassenbelag Granitplatten aus China zu importieren anstatt die heimische Produktion von Gneis zu berücksichtigen. Kostenersparnis: 2 Millionen Franken.

Bis der chinesische Strassenbelag anfing zu splittern. Er erwies sich als unbrauchbar und musste ausgebessert werden. Damit dürfte die Einsparung wieder ausgeglichen worden sein. Das war ärgerlich und hatte den negativen Nebeneffekt, dass gleich auch noch die Industrie im eigenen Kanton geschädigt worden war.

Wer wird die Verantwortung tragen? Lassen wir die näheren Details beiseite, sie erhellen nichts. Das sollen die Leute in Chiasso untereinander ausmachen. Die einen werden sich schadenfroh die Hände reiben und es schon immer gewusst haben, die anderen nach Ausreden und Schuldigen suchen.

Interessant ist der Fall aber als Exempel, das die Regel bestätigt: Leicht kann sich irren, wer meint, er würde durch Rechnen, Sparen, Vergleichen, Haushalten klug. Klüger als die anderen.

Alles hat seinen Preis

Zunächste einmal hat alles seinen Preis. Schund ist billig, aber bleibt Schund. Qualität kostet etwas und darf etwas kosten. Muss sogar etwas kosten. Dafür ist die Qualität besser und die Ware hält länger. Es ist das gleiche wie mit dem Fleisch. Ein Hormonsteak vom Schwein kostet einen Pappenstiel, aber wer sich so ernährt, ist selber schuld. Er schadet sich sogar.

Dass die Löhne oft nicht ausreichen und das Geld schlicht und einfach fehlt, um etwas mehr auszugeben, ist ein ernstzunehmender Einwand. Die Bonzen kaufen nur das Beste, weil sie es sich leisten können, aber die Menschen, deren Einkommen von ihnen abhängt, müssen schauen, wie sie über die Runden kommen.

Das ist wahr. Aber es wäre ein klein wenig erträglicher, wenn die Menschen auch tatsächlich rechnen würden. Es bleibt bei der Regel: Wenig, gut und preisgerecht, statt viel, schlecht und billig. Sonst ist nix gespart.

Geiz macht gierig

Rechnen ist eine Mentalitätsfrage. Nichts darf etwas kosten. Geiz ist geil. Aber sicher ist, dass er dumm, blind und gierig macht – und irgend jemand den Schaden hat, zum Beispiel ein Arbeiter in einem Granitwerk in China. Billigware ist sozial und ökologisch schlecht, wenn nicht unverträglich. Man muss die Zusammenhänge deutlich durchschauen. Das ist eine Frage der zivilen Haltung.

Hier nimmt unser Fallbeispiel aus Chiasso eine Wendung ins Globale. Chinesische Produkte sind billig. Aber wir haben erlebt, wie Spielwaren aus China zurückgerufen werden mussten, weil sie zu viele Schadstoffe enthielten.

Neuerdings erregen auch Kleider aus China Aufsehen, weil zu viel Blei und Formaldehyd in den Textilien festgestellt wurde – weit weg in Neuseeland, aber die Ausläufer der Aufregung sind noch in der Schweiz beobachtet worden. Alles ist möglich, aber nicht alles ist bekannt. Ich bin kein Chemiker, aber 900-mal mehr Schadstoffe als zulässig – das kann nicht gut gehen. (Die «vertretbaren» minimalen Zulässigkeitswerte sind an sich schon ein Skandal.)

Für die tiefen Preise müssen wir also allerlei Zumutungen «in Kauf nehmen».

Falsche Erwartungen

Indem wir an chinesischer Billigware den Vorzug geben, setzen wir falsche Erwartungen in die Welt und falsche Masstäbe. Die chinesische Wirtschaft boomt – aber der Boom ist mit gravierenden Schattenseiten verbunden. Die Umwelt leidet, die politischen und sozialen Rechte der Chinesen und Chinesinnen werden missachtet, Qualitätskontrollen fehlen, die Presse, die Skandale aufdecken könnte und müsste, ist geknebelt, Umweltschützer werden verfolgt, aber die Partei regiert mit ihren Phrasen und Parolen in selbstherrlicher Machtfülle.

Das führt zu Exzessen und destruktiven Erscheinungen, deren Folgen am Ende die Menschen in China (und anderswo) zu tragen haben – und die uns als Hängemann selber erreichen, direkt oder indirekt, irgendwann einmal. Wenn wir falsch rechnen.

Richtig gerechnet heisst nun eben einmal: Billig ist teuer.




«Gut» ODER «billlig» - das ist die Frage, die Hamlet heute stellen müsste…

Von Mitch Reusdal

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