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Artikel vom 29.03.2004

Kunst

Lauter Spielzimmer!

«Punktleuchten» heisst die neueste Kunstintervention von Klaus Littmann

Von Reinhardt Stumm



(Foto: Peter Schnetz, Basel © 2004)

BASEL. Punktleuchten, steht im Begleittext zu dieser Ausstellung im Haus Blumenrain 2, dem früheren Basler Tourismusbüro, das nun dem Hotel Drei Könige zugeschlagen wurde, Punktleuchten ist «ein Biotop der Ideen, Imaginationen und Interventionen».

Da kriegt man es ja schon wieder mit der Angst tun. Biotop, das ist doch sowas mit gesunden Fröschen im Garten und ökologisch einwandfrei quietschenden Mäusen. Imaginationen sind auf gut deutsch Einbildungen. Und Interventionen? Meistens irgendwas Unangenehmes!

Aber hier gibt es keine Frösche, keine Stützmassnahmen für gestörte Natur, keine Einsprachen. Hier gibt es umgebaute Zimmer. Zum Beispiel eines mit wundervollem Blick auf Rhein und Mittlere Brücke. In diesem Zimmer steht das, was hierzulande Gartehüsli heisst. Zusammengenagelt aus zahllosen Stücken Sperrholz, Presspan, Novopan und Brettern und mittendrin steht eine kleine Bank, auf die kann man sich setzen, ein kunstvolles Liedchen singen, und was essen wir heute abend?



(Foto: Peter Schnetz, Basel © 2004)

Ein anderes Zimmer (Mark Divo) sieht aus wie eine Büchergruft. Ein Buch neben dem anderen auf Wände und Decke genagelt, dicke Nägel mitten durch, ein Stosseufzerzimmer für Liebhaber des Guten und Schönen. In wieder einem anderen Zimmer schweben Buchstaben und Wörter leicht und heiter durch die Luft und mitten durch die Besucher, hier muss man sich auf den Fussboden setzen und die kleinen Wunder geschehen lassen, die einem zulieb getan werden.

Theorie? Wozu? Wer hier spazierengeht, ohne dass ihm etwas einfällt zu dem, was es zu sehen gibt, der müsste am Ende zumindest begriffen haben, dass er das Langweilige ist. Das hier ist Spiel. Alfonso Hüppi hat einen Gang oben im zweiten Stock mit grossen Knöpfen geschmückt. Jeder Knopf zwei Meter Durchmesser. Das ist nichts - und alles. Ein Stoss ins Bewusstsein, eine Herausforderung der Phantasie, mach was!



Wer die Treppe im Treppenhaus hochsteigt, glaubt an Halluzinationen (Magdalena Jetelova). Wie ist das möglich? Die Wand wölbt sich ins Treppenhaus, und zwar gewaltig! Und ganz oben kommt die ganze Stukkatur mit - aber das schönste ist, wenn man unten steht, sieht man nichts davon. Trompe l'oeil, das war im Barock ein Spiel mit der Phantasie - oder der Einbildungskraft (Imagination), das Wort ist hier genau richtig. Was passiert (ich wiederhole mich), passiert im eigenen Kopf.

22 Frauen und Männer, denen wir jetzt auf die Finger schauen dürfen, haben wochenlang geschuftet. Peti Brunner zum Beispiel. Ein ganzes Zimmer mit Bildern verkleidet. Bilder, Bilder, Bilder, Rahmen an Rahmen, Rähmchen an Rähmchen, wundervoll! Eine Briefmarkensammlung, bei der es nicht um dieses oder jenes Bild geht, die Bilder sind eigentlich egal, es geht um das Vergnügen, einem Hirngespinst ein Gerüst zu verpassen - er wollte es wissen! Und wir lernen, was Künstler (wenn das Wort schon mal sein muss) für uns tun können, wenn sie es können: Sie graben Spuren in unser Bewusstsein, sie animieren unsere Phantasie, sie verleiten uns zum (imaginativen) Mitspielen.



Ganz unten im Keller ein schönes Beispiel. Genau unter dem Haus durch läuft der Birsig. Peter Knapp hat ein Loch durch das Kellergewölbe gebohrt, jetzt kann man, auf dem Steinboden stehend, durch das Loch auf das schnellfliessende Wasser hinuntersehen. Hören kann man es auch. Das ist nichts, ein beiläufiges Vergnügen - aber stellen sie mal einen begabten Denker neben dieses Loch und hören sie zu, was dem einfällt - da können sie die ganze Kunstkritik einstampfen!

Für Klaus Littmann die schönste Intervention von allen, die er uns bisher beschert hat - darüber braucht man nicht zu streiten! Und der Turmengel? Naja, schon... Und die Backsteingeschichte? Naja, sicher... Woran liesse sich eigentlich die Qualität eines Littmann-Projekts messen? Daran, finde ich, bis zu welchem Masse ihr Potential ausgereizt wird. «Punktleuchten», zunächst ja mal nichts als ein noch ganz unstrukturiertes Angebot an jene Künstlerinnen und Künstler, die eingeladen wurden, setzt ein beträchtliches Potential an Humor und Mutterwitz frei, an Vergnügtheit und Verschrobenheit, Scherz und Schabernack, Verträumtheit und Verspieltheit.

Schauen Sie sich den Traumraum an (und benützen Sie den Feldstecher, der da hängt, als Hilfe), den Philip Loersch aus dünnem Modellierkarton gebaut hat - welche Eselsgeduld! Und welch unendliches Vergnügen an seinem virtuellen Kleinstuniversum, in das die Phantasie eintaucht wie in ein federleichtes Denkgerüst!

Bis Ende Juni. Eintritt frei. Geöffnet Donnerstag und Freitag von 15 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr.

Von Reinhardt Stumm

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

http://www.nzz.ch/2000/12/13/fe/page-article71KJG.html



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