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Artikel vom 26.03.2004

Verkehr

Per Röntgen gegen Combino-Schäden

BVB-Direktor Urs Hanselmann zum Stand der Schadensanalyse

Von Jürg-Peter Lienhard



Da war die Combino-Welt noch in Ordnung: alte Homepage von Siemens-Combino. Viele der abgebildeten Combino-Flottenvertreter in Europa und Übersee stehen nun ebenfalls still.

BASEL.- Dass die ganze Flotte von 28 Combino-Trams zurzeit wegen der von Siemens festgestellten Schäden für längere Zeit stillgelegt bleiben, ist nun leicht abgeschwächt worden: Wie BVB-Direktor Urs Hanselmann am Freitag, 26. März 2004, im Regionaljournal von Radio DRS I erklärte, hat Siemens eine effizientere Analyse-Methode per Röntgenstrahlen angekündigt.

Was sind das eigentliche für Schäden, die bei der Combino-Flotte eine sofortige Stillegung erforderten? Wie ein nicht namentlich genannt sein wollender Techniker der Basler Verkehrsbetriebe (BVB) gegenüber webjournal.ch erzählte, haben die Schäden mit der bislang als technische «Meisterleistung» gepriesenen «Niederflur-Konstruktion» zu tun.

Unter «Niederflur» versteht man die im ganzen Tram mögliche fast ebenerdige Einstiegs-Ebene: eine enorme Komfort-Verbesserung, die vor allem von älteren Passagieren, Handicapierten und Kinderwagen-Müttern geschätzt wird. Also auch Zukunft in der Konstruktion und der Popularisierung des öffentlichen Verkehrs ist.

Glänzender technischer Einfall

Besonders angenehm für die Passagiere ist, dass auch im Innern keine Treppenstufen zu bewältigen sind, wie diese etwa in den als sogenannten «Sänften» umgebauten älteren Trammotorwagen oder -Anhängern anzutreffen sind. Bei diesen Fahrzeugen ist nur der Mittelteil «Niederflur», weil die Motoren, Radkästen und Kompressoren für die Druckluft-Bremsen eben nicht weggezaubert werden können.

Diese sind bei den Combinos durch einen glänzenden technischen Einfall tatsächlich aus dem Fahrgastraum «weggezaubert» worden - aber auch ein Combino braucht Motoren und Druckluft-Kompressoren sowie neu: Klimaanlagen. Wohin nun mit diesen Kisten, Kästen und Druckluft-Boilern? Die geniale technische Idee ist, dass diese «Möblierung» auf dem Dach statt im Fahrgastraum untergebracht wird.

Dachlast drückt

Dadurch wird natürlich das Gewicht des Daches um ein Mehrfaches erhöht. Und genau hier liegt der Knackpunkt der Konstruktion: Türpfosten und Fensterrahmen müssen nun eine wesentlich höhere Tragkraft ausweisen. Und genau da entstehen die Schäden - die eigentlich ein Berechnungsfehler des Konstrukteurs sind: Die Träger sind zu schwach, und durch das Rütteln und Rattern über Weichen und Kreuzungen kommt es an den Trägerverbindungen zu Rissen - zuerst in der Breite eines Haares, aber später kann die Konstruktion unter der Last des Daches einbrechen. Die Gefahr für die Passagiere liegt nun darin, dass auch bei einer harmlosen Kollision gleich das ganze schwere Dach mit seinen Kisten und Kübeln zusamenbricht und auch Passagiere unter sich begräbt, die weiter weg vom Aufprall sitzen oder stehen.

Siemens hat also laut dem erwähnten BVB-Techniker einen folgenschweren Konstruktionsfehler begangen, der möglicherweise das ganze Unternehmen gefährden könnte. Denn, um die Schäden beheben zu können, müsste fast das ganze Tram auseinandergenommen werden - was quasi einem Neubau gleichkommt.

Ungewisse Zukunft

Inzwischen weiss man jedoch bei Siemens, dass die enorme Dachlast erst nach einer gewissen Kilometerleistung zu den genannten Haarrissen führt - also erst, wenn das Drämmli rund 120‘000 Kilometer herumgerattert und -geschüttelt ist. In Basel ist das bei allen 28 Einheiten der Combino-Flotter der Fall, weshalb diese Fahrzeuge zurzeit in den Depots bis auf weiteres eingestellt bleiben.

Wie lange das noch dauert (und ob überhaupt…), hängt laut BVB-Drektor Hanselmann von der Schadensanalyse durch den Hersteller Siemens ab. Bislang mussten die einzelnen Drämmlis beinahe ganz auseinandergenommen werden, um an die vorerst vermuteten Schadensstellen gelangen zu können. Inzwischen hat Siemens aber eine neue Methode zum Aufsuchen der Schäden entwickelt: Mit einer Eigenkonstruktion eines Röntgenapparates sollen nun die kritischen Stellen aufgefunden werden können. Mit dem «Durchleuchten» von Verschalungen und anderen Installationen braucht das Tram nun nicht mehr beinahe auseinandergenommen zu werden.

Dadurch dürfte der erste Schritt der Schadens-Bestandesaufnahme an den Fahrzeugen rasch vorwärts gehen. Der zweite Schritt wäre dann die Reparatur - sofern möglich. Trotz dieser beschleunigten Analysemethode kann Hanselmann aber überhaupt keinen Termin angeben, wann wenigstens einige unbeschädigte Combinos wieder auf die «Piste» geschickt werden können.

Von Jürg-Peter Lienhard



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