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Artikel vom 31.08.2006

J.-P. Lienhards Lupe

Kommentar: Die Affäre Büttner - (avec traduction en français)

Das Ecomusée wird geköpft!

Die schmutzigen Geschäfte der elsässischen Politik: Den Misserfolg des «Bioscope» muss das elsässische Freilichtmuseum bezahlen…

Von Jürg-Peter Lienhard



Marc Grodwohl war 17, als er die Idee zum Ecomusée d'Alsace entwarf; zehn Jahre später ging sein Traum in Erfüllung: Bei der Eröffnung waren es 19 Häuser; heute sind es fast 80 und, und, und… Alle Fotos: Paul Merklé, Basel © 2006


Marc Grodwohl, der Gründer des Ecomusée d'Alsace, steht vor dem Rauswurf durch die elsässiche Politik und mit ihm 50 der rund 100 verbleibenden Angestellten im wunderschönen elsässischen Freilichtmuseum von Ungersheim.



«Journal l'Alsace» vom Mittwoch, 30. August 2006: «Die Behördenvertreter im Vorstand fordern die Abdankung von Direktion und Präsidium»


Die Oberrhein-Region sollte sich das nicht gefallen lassen, was da abgeht, und vor allem ist es erst das Bauernopfer; die Rochade ist von langer Hand vorbereitet und in der Pipeline. Doch es eilt den verantwortlichen Politikern ausgerechnet jetzt so sehr, weil die Katastrophe des iditiotischen Plastikparks Bioscope unaufhaltbar scheint: 30 Millionen Euros hat das oberelsässische Departement und die Region Alsace in den Sand gesetzt, denn statt der 260‘000 erwarteten Besucher, sind bislang vielleicht gerade mal 2600 ins Niemandsland des Bioscope im Bassin Potassique bei Ungersheim gebraust - 5 Kilometer von der nächsten Bahnstation und nur per Auto erreichbar…

Die Verantwortlichen, allen voran der noch amtierende Generalratspräsident Charles Büttner und sein unterelsässischer Kollege Adrien Zeller sowie eine ganze Reihe ihrer Mitläufer werden wohl demnächst schmerzlich an Eulogius Schneider erinnert… Eulogius Schneider war mal mit einem fahrbaren Modell des Docteur Joseph-Igance G. unterwegs und schnitt Köpfe, wie man im Elsass eben Kohlköpfe schneidet!

Am 2. Dezember 1997 hat der Basler Regierungsrat beschlossen, dem «neuen Verein Bioscope in Saint-Louis beizutreten». Das Justizdepartement Basel-Stadt verkündigte damals in seinem Mediencommuniqué vollmundig: «Die Initianten des Projektes verknüpfen grosse wirtschaftliche Erwartungen mit dem Park; so gehen diese heute davon aus, dass jährlich rund 1,5 Millionen Eintritte zu verzeichnen sein werden. Die durch "Bioscope" ausgelösten Investitionen werden auf 1,6 Milliarden Französische Francs geschätzt.»

1,6 Milliarden französische Francs zum damaligen Umrechnungskurs von 0.26 Rappen wären 416 Millionen Schweizer Franken gewesen oder 263394111,95136 Euros zum heutigen Wert… Es war die Zeit von Hans-Martin Tschudi, als die Basler Regierung mit wehenden Fahnen auf solchen Bluff einstieg - Tschudis Kopf jedenfalls ist inzwischen gefallen!

Marc Grodwohl, der Gründer des Ecomusée d‘Alsace, nahm dieses Projekt, wie auch alle anderen, zunächst gar nicht ernst. Denn mit jeder neuen Jahreszeit kamen welsche Güggel aus Paris dahergeflattert und logen der Bauernsame im Elsass das Blaue vom Himmel herunter: Miese Spekulanten hatten Blut gerochen; es war die Zeit, als das Elsass seiner Brachen und seiner ins mediale Rampenlicht gerückten Kulturgüter als touristisches Mekka, als Klondike des europäischen Festlandes Spinner und Phantasten anzog, wie der Hundskeigel die Schmeissfliegen…

In dieser Zeit war das Ecomusée d‘Alsace aus einer von Freiwilligen gegründeten «Spinnerecke» zu einem stattlichen Betrieb angewachsen, der nicht unter die Kontrolle der herrschenden Klasse zu bringen war und zudem mit frechen Initiativen und anhaltendem Erfolg die «verdienten» oder «berufenen» Funktionäre und Hinterbänkler des elsässischen Establishments herausforderte.

Darin mag sich der Gründer des Ecomusée d‘Alsace lange gefallen haben, es stets treffsicher vorausgesehen zu haben, dass der Kleingeist dieser kleinen Geister so wenig fertig bringen konnte, wozu sie grosspurig aufriefen - und jeweils alles kläglich versandete. Doch wer glänzt, muss nicht lange auf Neider warten, und Neid und Intrigantentum sind Geschwister, wie auch Zweitplazierte zu hasserfüllten Gegnern werden können.

Dem wachen Kopf Grodwohl blieb das zwar nicht verborgen, und früh schon erkannte er, dass der politische Himmel sich für ihn zu verdunkeln begann; dass das Bioscope gewissermassen die Winkelried-Lanze werde, und dass es ihm dereinst ergehen könnte wie Rigoletto mit seiner Gilda: Dass ihm die Verspotteten aus Rachedurst und mit fiesem Intrigantentum das Liebste wegnähmen.

Liebe ist lächerlich - ist Liebe lächerlich?

Denn Liebe ist das treffende Wort, Liebe steckt im Ecomusée d‘Alsace - von hinten bis vorne und in vielen Details, aber vor allem die Liebe zu dem, was aus dem elsässischen Boden gewachsen, gedacht und gelitten worden war. Mit anderen Worten: die Wertschätzung gegenüber dem, was die Vorfahren bereiteten, was die Gegenwart lebenswert macht. Das, und keine iditotischen «Visionen» von Geschäftemachern, die keine Zukunft haben, weil sie die Vergangenheit nicht zu «sehen» imstande sind, das ist die Botschaft des Marc Grodwohl, die er in seiner «Handschrift» und in seiner «Sprache» vermittelte.

Die einen verstehen diese «Sprache» sofort, die anderen nicht und werden es auch nie. Aber es sind unglaublich viele, und wahrscheinlich die Mehrheit aller Besucher, die seit der Gründung des Ecomusée d‘Alsace durch das elsässische Freilichtmuseum flaniert sind.

Der «Sprache» Grodwohls entgegnet eine ganz andere, nämlich eine des Kalküls, eine stumme, wie die der Schachspieler, wobei «Schach» das falsche Wort ist, denn da gehen Gegner ritterlich um miteinander; ihre Mittel sind Türme, Reiter, Läufer und ja, ja auch Bauern. Strategie ist da schon näher dran, aber richtig ist «Intrige»!

Mei, mei, Brutus!…

Und der Dolch im Gewande Brutus‘ - der ist schon geschliffen, will man dem Bericht in der elsässischen Tageszeitung «L‘Alsace» vom Mittwoch, 30. August 2006, Glauben schenken: Der Gründer Marc Grodwohl und der Präsident des Trägervereins Association Ecomusée d‘Alsace, der Banquier François Capber, sollen abserviert werden, zum Teufel gehen, ohne Abfindung und ohne Verdankung.

Das fordere der um seinen Kopf bangende Mitverursacher des Bioscope-Schlamassels, der Bodybuilder-Generalratspräsident Charles Büttner, via seine Adepten - so eine anonyme Quelle, die aus der Sitzung des Vorstandes der im Ecomusée vertretenen öffentlichen Körperschaften vom Dienstag, 30. August 2006, der nicht geladenen jungen Journalistin berichtet haben soll.

Und ein weiterer Dolchstoss aus dem Gewande des Generalratspräsidenten: Von dem seit 6. Dezember 2005 von 160 auf 100 geschrumpften vollzeitlichen Mitarbeiterstab, sollen nochmals 50 entlassen werden, weil die Oktoberlöhne nicht mehr für alle garantiert seien. Damit «sparte» man 600‘000 Euro, so viel, wie der Generalrat dem Ecomusée noch schuldet, schuldet als versprochene Subventionen, die im Bioscope vergraben worden sind. Immerhin sollen die 600‘000 «Erspartes» in einen Fonds fliessen, womit die Kündigungen mit einem «Sozialplan» abgefedert werden sollen.

Anonyme Quellen sind eigentlich keine Quellen, und das sieht der mit Undank angeschossene Marc Grodwohl auch so. Er will darum keine Stellung zu den Presseartikeln nehmen, bis das Handelsgericht von Colmar am 12. September 2006 über die Situation befinde. Grodwohl hat im Frühjahr selber die gerichtliche Unterstellung der Finanzen beantragt, was mit einem externen Verwaltungsmandat vom Gericht bewilligt worden war. Mit diesem Schachzug wollte Grodwohl belegen, dass nicht etwa Misswirtschaft, sondern die ausstehenden versprochenen Subventionen das Freilichtmuseum in die Konkursgefahr führten. Weil das Geld eben im Bioscope zum Fenster hinausgeworfen worden war…

Zahlen und Ziffern, ob Fortbestand oder Konkurs und Aufgabe des Ecomusée d‘Alsace (was Plünderung wie in Bagdad bedeutet), sind momentan nicht offiziell zu haben, und was die elssäsische Zeitung «Journal l‘Alsace» behauptet zu wissen, scheint ziemlich spekulativ. Was hingegen zutrifft, ist, dass die Finanzsituation aus mangelnder öffentlicher Unterstüzung schwer im Argen liegt - wie genau dies aussieht, wird erst der 12. September 2006 offenlegen. Den einzigen Kommentar, den Marc Grodwohl zu den jüngsen Veröffentlichungen abgegeben hat, ist: «Ich bin Direktor des Ecomusée d‘Alsace, und bleibe es bis zum 17. September 2006 - dann sehen wir weiter und dann stehe ich der Presse Red und Antwort.»

Der Sonntag, 17. September 2006, ist Generalversammlung des Vereins Ecomusée d‘Alsce, die über eine Abwahl seines Gründers befinden kann. Oder Grodwohl tritt aus freien Stücken zurück, was seiner durch die Intrigen der letzten beiden Jahre angesägten Gesundheit nur guttun würde. Den vereinigten Investoren von Bioscope und dem Generalrat jedenfalls kann er nicht mehr trotzen: die haben auf Schachmatt gesetzt - und zwar schon lange! Und ohne Rücksicht auf Verluste fürs Elsass!

Und genau das ist es, was sich die deutschsprachige Dreiländerregion nicht gefallen lassen darf, auch wenn es bereits beschlossene Sache ist: Dass eine schöne Sache einer blöden geopfert wird. Das Ziel ist nämlich, das Ecomusée mit dem Bioscope zu fusionieren, und zwar unter der Aegide der finanzkräftigen Bioscope-Manager aus Paris!

Das Ecomusée gehört der ganzen Dreiländerregion, die ebenfalls staatliche Mittel in Projekte des Freilichtmuseums gepumpt hat, und es gehört der Dreiländerregion, weil die Besucher aus allen drei Ländern es mit ihren Eintritten und Spenden mitgetragen haben, und weil aus allen drei Ländern viele Freiwillige am Aufbau mitgearbeitet haben. Aber vor allem gehört es der Dreiländerregion, weil es die Geschichte der Zivilisation am Oberrhein beschreibt, aufgezeichnet und sichtbar gemacht hat. Unsere Zivilisationsgeschichte. Unsere, Monsieur Büttner!



Solch betörend schöne Natur trägt zwar die Handschrift Grodwohls, aber es ist doch Natur und nicht Plastik, wie im Bioscope!



Es «herbstelt», und Herbst ist die Zeit der Farben - man muss sie aber sehen können, so wie sie der engagierte Basler Freund des Ecomusée, Paul Merklé durch seine Photolinse sieht. Er ist jeden Sonntag hier bei seinen Freunden, weil er sich dort zuhause fühlt in dieser wundervollen liebenswürdigen Umgebung!



Auch diesen Frauen gefällt es im Ecomusée, und sie kommen daher jeden Sonntag als Freiwillige und zeigen den Besuchern ihre Handarbeitskünste, die bald niemand mehr machen kann - gratis übrigens!



Und hier eine Gruppe von Handwerker-Bénévoles, ohne die das Ecomusée tot wäre, und auch tot sein wird, wenn es vom Bioscope verschluckt würde: Dann müssten die Pariser Eau-de-Cologne-Pisser ein paar Gugus anstellen, so wie anfänglich im Bioscope, die irgendwelchen haarsträubenden Mist veranstalten müssten…



Im Elsass gibt es viele Schweine, zum Beispiel dieses hier im Ecomusée, das aber keine Politik macht!




Von Jürg-Peter Lienhard

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