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Artikel vom 02.06.2005

Musik

25 Jahre «basel sinfonietta»

Jubiläum des «Alternativ-Orchesters» im Zeichen der finanziellen Existenzsicherung

Von Jürg-Peter Lienhard



Ungewöhnliche Aufnahme eines ungewöhnlichen Orchesters (Foto: basel sinfonietta, 2005).



BASEL. «25 Jahre basel sinfonietta - 25 Jahre abgefahren» so präsentierten die Vertreter des alternativen Klangkörpers an einer Pressekonferenz vom Donnerstag, 2. Juni 2005, im Quartierzentrum Union-Kleinasel die Jubiläums-Saison 2005/06. Vorweg gaben sie bekannt, dass der vom Baselbieter Souverän abgelehnte Subventionsvertrag zum «Orchesterbeschluss „Wir kämpfen“» geführt habe, was sich in ersten Erfolgen zur Existenzsicherung niedergeschlagen habe.

So rechnet das Orchester auch künftig mit Subventionen aus beiden Halbkantonen Basel - die entsprechenden Zusagen bedürfen aber noch entsprechende Genehmigungen -, die jedoch weit von den 650 000 Franken aus der verlorenen Abstimmung entfernt sind.

Immerhin gelang es den Orchester-Repräsentanten, nebst Novartis nun auch die Bank UBS als «Titelsponsoren» zu gewinnen. Der UBS-Vertreter wollte jedoch die Summe dieses Einsatzes nicht bekanntgeben. Er begründete das Engagement für die «basel sinfonietta» damit, dass seine Bank sich der «Region Nordwestschweiz gegenüber verpflichtet» fühle, zumal sie in diesem Wirtschaftsraum 31 Filialen unterhalte.

Der Geschäftsführer des Vereins «basel sinfonietta», Harald Schneider, verwies auf die hohe Zahl der Konzert-Abonnenten, die sich auch in der Saison 2004/05 wiederum erhöhte (auf 384) - wobei die Zahl der Veränderung (plus 20) nichts darüber aussagt, dass in Tat und Wahrheit über 100 Neuabonnenten die Abgänge auffüllten. Dies bestätige also ganz deutlich, dass Abonnementskonzerte immer noch ihre Berechtigung haben.

Im Ausblick auf die Jubiläumssaison 2005/06 hat Schneider mit dem «konfuzianischen» Spruch «Der Weg ist das Ziel» das zukünftige Engagement und das Programm vorgestellt: Es hat von allem und für alle etwas; Werke von der Spätromantik bis zur Musik der Gegenwart - Schinken und Trüffel zugleich.

Programm und weitere Informationen siehe Link am Ende dieses Berichts

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jpl.- Wer die Geschichte des Orchesters «basel sinfonietta» kennt, weiss, was es zu bedeuten hat, dass es und sein späterer Verein 25 Jahre überlebt hat und mit dem Jubiläums-Motto «Der Weg ist das Ziel» wiederum einen Anlauf wohl für ein nächstes Jubiläum unternimmt.

Geld, Geld, Geld, spielte immer eine Rolle in der Geschichte dieses Alternativ-Orchesters, und Geld stand häufig am Anfang jeder gescheiterten Verhandlung: Wie gerne wäre doch das Ecomusée d‘Alsace auf das «Gratis»-Angebot von Gründerpräsident Ruedi Linder eingegangen, ein Musik-Spektakel in der riesigen Industriebrache der Kalimine «Rodolphe» aufzuführen.

Aus dem «Gratis-Angebot» wurde dann «im Laufe des demokratischen Prozesses» des Orchesters eine hochbezahlte Veranstaltung, die das Ecomusée d‘Alsace auch mit seinem grosszügigen Kostenbeitrag nicht mehr bezahlen konnte.

In die Hose ging auch das gewiss Attraktion versprechende Projekt mit dem damaligen Schweizer Dirigenten des «Orchestre symphonique de Mulhouse», Luca Pfaff, das Opfer der «demokratischen Mitgliederdiktatur» innerhalb von «basel sinfonietta» wurde.

Ruedi Linder gab denn auch unumwunden zu, dass in den Anfängen von «basel sinfonietta» und weit darüber hinaus sogenannte Vollversammlungen die Orchesterarbeit belasteten und viele Stunden echter Arbeit für die Musik flöten gingen.

Tempi passati: «basel sinfonietta» hat aus den Fehlern gelernt und sich eine neue Struktur (u.a. in Form eines Vereins) gegeben. Zudem wird es von einem Förderverein unterstützt, und die Organisation wurde «professionalisiert»: Fünf Personen, die sich in über 300 Stellenprozente teilen, kümmern sich um die künstlerische und administrative Arbeit, damit das Orchester seine ihm zugedachte Rolle «spielen» kann.

Auf dem «Weg» zum Ziel, nämlich den Musikern anständige Stundenlöhne zu bezahlen (diese betragen zurzeit 25 Franken/Stunde), will sich der Verein anstrengen, noch mehr Abonnenten und noch mehr Zuhörer zu gewinnen. Dazu verhelfen soll das Programm 2005/06, das auf den ersten Blick «ausgewogen» aus Klassik, Romantik, Moderne und Postmoderne besteht. Ja, auch ein Sponsor wird postum geehrt.

Im künftigen Saisonprogramm finden sich Bruckners und Beethovens achte neben Haydn, Schubert und Mozart. Etwas weiter zum Fenster der Gegenwart hinaus lehnt sich das Programm mit Cristobal Halffter und einer Uraufführung von Johannes Schöllhorn. Zu «400 Jahre Macbeth» im Januar verspricht es eine «Zeitreise erster Klasse»: Mit Richard Strauss, Dimitri Schostakowitsch, Ernest Bloch und David Sawer (geb. 1962).

Das Programm ist also schön ausgewogen sowohl in den Epochen wie auch bei den Komponisten. Nur: erwartet der Musikfreund oder der engagierte Musikkenner denn «ausgewogene» Programme, Musik, die er bei sich zu Hause auf Konserve und erst noch mit grossen Interpreten und Dirigenten bestückt abrufen kann? Will er denn heute noch Schostakowitsch oder Schnittke gegen besseres Wissen hören? Müsste ein «Alternativ-Orchester» nicht eigentlich ein ganz spezielles Programm, originell oder zumindest «neu» anstreben, um gewissermassen zum Markenzeichen zu werden und um einen Stil zu kreieren?

Das lässt sich offenbar nicht mit «Existenzsicherung» vereinbaren, und auch nicht mit «demokratischer Orchesterarbeit» - was übrigens gleichwohl so etwas wie ein «Markenzeichen» des «sinfonietta»-Klangkörpers ist und eben deswegen viele Sympathisanten generiert.

Mit mir gewinnt «basel sinfonietta» keinen Abonnenten, hingegen kann ich mir den Besuch als Vollzahler des einen oder anderen Konzertes vorstellen - bestimmt nicht für Schostakowitsch oder für ein Paul-Sacher-Memoriam…

Es gibt ja diese Linie: Wagner–Debussy–Boulez - «Der Weg ist das Ziel» - nämlich zur Musik der Gegenwart. Und da gehts nicht um Subventionen, sondern um Herzblut! Na, oder nicht, oder doch, oder was, oder wie?

Die Leute von «basel sinonietta» sind eben «nur» Interpreten, also «Handwerker» - geschweige denn Musikkenner und vor allem keine Musikwissenschafter.


Lesen Sie die offiziellen Dokumente von der Pressekonferenz «basel sinfonietta» und das Detail-Programm der Jubiläums-Saison 2005/06 per untenstehenden Links (im PDF-Format zum runtersaugen).

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

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