Druckversion von "Heroin legal abgeben!" auf webjournal.ch


Artikel vom 03.04.2005

Aufgegriffen

Heroin legal abgeben!

«Das Magazin», die gemeinsame Samstags-Beilage der grössten Schweizer Tageszeitungen, zieht eine ernüchternde Bilanz zum Thema Heroin-Sucht

Von Jürg-Peter Lienhard

Wenn man den Artikel von David Schaffner in der Samstags-Beilage «Das Magazin» Nr. 13, vom 2. April 2005, zum «Schicksal Heroin - Sie kommen niemals weg» liest, überkommt einen das nackte Grauen: Nicht nur des Schicksals der Süchtigen wegen, sondern wegen unserer doch so gerne vollmundig beschworenen «christlichen» Gesellschaft!

Schaffner schreibt: «Von den 30 000 Süchtigen in der Schweiz erhalten nur 1200 ihren Stoff auf legalem Weg in einer Abgabestelle.» 1 000 sind in einem Abstinenzprogramm; 18 000 bekommen Methadon. Nach Adam Riese heisst das: fast 10 000 Süchtige müssen sich den Stoff illegal beschaffen. Oder konkreter: mittels Raub, Diebstahl, Betrug - und wenn es nicht auf kriminellem Wege ist, dann eben via Schuldenmachen. Man lese nur die täglichen Nachrichten der Polizei mit den Meldungen der «Sürmeleien», die auf das Konto der Beschaffungskriminalität gehen.

Autor David Schaffner belegt nicht nur mit Interviews von Süchtigen, sondern auch mit Erkenntnissen von Fachleuten, die direkten Bezug zur Szene haben, dass eine anhaltende Abstinenz für die Betroffenen praktisch unmöglich ist. Wer einmal auf «Reise» ging, in dem schlummert eine hinterlistige Zeitbombe! Die Sucht ist beim besten Willen nicht heilbar - so langjährige wissenschaftliche Studien. Und denen zufolge müssten die Konsequenzen anders gezogen werden, als es die Moralapostel tun.

«Wir» - die Selbstgerechten

Dagegen stemmen sich aber «christliche» Erziehungs-Vormünder: Der Berner FDP-Politiker Kurt Wasserfallen - selbst ein gesellschaftlicher Problemfall - hat im Nationalrat eine Motion eingereicht, wonach die Aufnahme von Süchtigen ins Heroinprogramm befristet wird - mit dem Argument: «Den Süchtigen fehlt der Wille dazu, deshalb müssen wir nachhelfen!»

«Wir» im Sinne des «pluralis modestiae» - der übelsten Form aller Selbstgerechtigkeiten!

Sabina Geissbühler, Präsidentin des Vereins Eltern gegen Drogen, sagt gemäss dem Artikel in «Das Magazin»: «Die Heroinabgabe ist unmenschlich, weil sie die Süchtigen nicht von ihrer Sucht erlöst.» Diese Haltung ist besonders tragisch, weil der innige Wunsch und nicht die Realität ihr diese Meinung diktiert.

Tun statt verurteilen

Was zu unternehmen ist, liegt ganz offen auf der Hand: Heroin an alle Süchtigen kontrolliert und legal abgeben! Mit einem Schlag würden die Dealer arbeitslos, und der Beschaffungskriminalität würde der Boden entzogen. Alte Fraueli könnten wieder mit ihren Portemonnaies in den Kommissionentaschen gefahrlos ihre Besorgungen machen.

Aber der wichtigste Effekt wäre, der «Barmherzigkeit» im echten christlichen Sinne Nachachtung geschafft zu haben, indem unsere Gesellschaft nicht Mitmenschen ausstösst und sie auf kriminelle Wege abschiebt, sondern unheilbare Leiden ohne moralische Selbstgerechtigkeit annimmt. Und etwas tut dagegen - mit Betonung auf «tun»!

Von Jürg-Peter Lienhard



Druckversion erzeugt am 10.03.2021 um 16:22