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Artikel vom 04.09.2004

Medien

Neue baz: Null…

Ein neues Kleid für eine alte Dame: Die Basler Zeitung nennt sich seit Freitag, 3. September 2004, nur noch in Minuskeln geschrieben «baz». Wir haben die «Neue» für Sie mal durchgeblättert.

Von Jürg-Peter Lienhard



Holen Sie sie: Die erste Nummer der neuen baz kostet ganze null Franken!

BASEL.- Freitag, 3. September 2004, 23.35 Uhr, an der Hochbergerstrasse: In der Spedition quellen aus den Transportschienen die ersten Exemplare der gelifteten neuen Basler Zeitung, die neu nun auch nur noch klein geschrieben «baz» heisst.

Ein Fernseh-Team von TeleBasel verpasst den Anlauf der neu gestalteten Basler Zeitung und filmt vorne in der Spedition Arbeiterinnen, während sie die im Probelauf in alte Ausgaben gesteckten «Stellefant»-Exemplare heraussortieren. Doch ganz hinten in der Abpackstrasse kommt die echte neue BaZ, pardon baz aus den Zählmaschinen.

Seltsam, hier haben wir doch einen «grossen Bahnhof» mit Champagner-Kelchen und Blitzlichtern erwartet. Doch nichts dergleichen, denn die «grosse Gesellschaft», wie sie dann auch im Regionalbund der neuen baz abgelichtet und gedruckt erscheint, muss woanders gefeiert haben. Die Speditionsarbeiter gehören nicht dazu, geschweige denn die Drucker.

«Windigeres» Papier als bisher

Und schon haben wir die neue Basler Zeitung in den Händen. Und da fühlt sie sich gleich überraschend an: Ein «windigeres» Papier als bei der «alten» BaZ - die Farbe drückt jeweils von der Rückseite durch; im Falz sind Farbspuren. Die komplette Samstagsausgabe mit Datum 4. September 2004, ist aussergewöhnlich umfangreich. Man fragt sich, wie das kommt, denn die Zeitung wurde ja aus Spargründen im redaktionellen Teil massiv abgespeckt.



Immerhin optisch ist sie vorerst gelungen - die neue baz. Wies um den Inhalt in den künftigen, «entscheidernden» Nummern steht, muss sich erst weisen.

Alles in allem haben wir 350 Gramm dünneres Zeitungspapier in den Händen. Davon entfallen 64 Seiten auf die Zeitung und 26 Seiten auf den «Stellefant» im herkömmlichen Format. Beigelegt ist das neue «bazkulturmagazin» (so geschrieben) im «24-Minuten-Format» mit 36 Seiten. Beim Durchblättern stellen wir eine grosse Anzahl ganzseitiger Inserate fest und haben damit die Erklärung des Umfangs gefunden: Die Inserenten haben wohl auf diese erste Nummer gesetzt, die eben als eine seit langem angekündigte Neuerung auch ein grösseres Leserinteresse finden wird.

Genialer roter Doppelbalken gequetscht

Nun kommt der spannende Augenblick: Das genauere Durchblättern der auch inhaltlich neu gestalteten baz. Erster Eindruck: Der geniale rote Doppelbalken, gewissermassen das «Logo» des Zeitungsverlages Basler Zeitung, hat an Dominanz verloren. Auf der Titelseite scheint er unstatthaft gequetscht, indem er ohne Zwischenraum gleich unter die Anreisser geschoben worden ist. Der Schriftzug «Basler Zeitung» im Titel hingegen ist unverändert geblieben.

Jedoch: der gestalterische Auftritt mit den neuen Spaltenbreiten ist fürs erste gelungen. Endlich ist man abgekehrt von mehrzeiligen unterstrichenen Untertiteln und ersetzt sie stattdessen mit einzeiligen Schlagtiteln. Neu sind die Überschriften - wenn uns nicht alles täuscht: eine schmal laufende Helvetica. Gegen unseren Geschmack und auch zu unserem Bedauern operierten die Zeitungsgestalter mit zuviel Weissraum zwischen den Titeleien und dem Artikel. Zu unserem «Bedauern» deswegen, weil da je nach Breite des Artikels gut und gerne nochmals zehn Zeilen dem Autor und dem Leser flöten gehen.

Variable Spaltenbreiten bieten neue Gestaltungsmöglichkeiten

Augenscheinlichste Neuerung ist die variable Spaltenbreite - ein sehr geschicktes gestalterische Element. Hier hat die neue baz gewonnen: Die Abgrenzung von Lauftext, Kästchen und Kurzfutter lässt sich damit optimal bewerkstelligen. Die Neugestaltung der Bünde ist jedoch gewöhnungsbedürftig; sie weicht stark von der bisher gewohnten Aufteilung ab, jedoch nicht zugunsten einer willkürlichen Aufteilung.

Nun verstehen wir erstmals, warum Chefredaktor Ivo Bachmann sogenannte Blattmacher eingestellt hat: Die Gestaltung der Zeitung dürfte nicht mehr von Redaktoren allein bewerkstelligt werden können. Gestalterische Spezialisten mit redaktionellem Know-how - eben Produzenten - sind jetzt gefragt und kommen im Ablauf des Blattmachens nun wohl viel früher und mit grösserem Einfluss zum Zug als bisher.

Retuschen bereits absehbar

Die Leser werden aber gleichwohl schon bald die Blattmacher zu Retuschen zwingen: So sind einige «Kästchen» - heute sagt man denen «Boxes» - mit zu dunkler Farbe unterlegt, was vielleicht ältere Leser nicht mehr gut entziffern können. «Abverheit» ist auch die Wetter-Spalte auf der Leserseite «Forum» mit einem seltsam-pastelligen Grosswetterbild, das man erst per Lupe als solches erkennt.

Prinzipiell darf man die Neugestaltung der baz als gelungen bezeichnen. Ja, bereits Minuten nach der Neuerscheinung schien die letzte Ausgabe der alten BaZ veraltet. So rasch geht das - oder besser gesagt, so überzeugend wirkt der neue Wurf! Optisch, wenigstens.

Messen soll man die neue baz künftig am Inhalt!

Wenn wir die neue baz dann wirklich mit grösseren Masstäben messen wollen, müssen wir den Masstab am Inhalt anlegen. Das ist bei einer ersten Nummer noch gar nicht möglich, denn da erscheinen natürlich «Glanzleistungen», und die Frage ist, ob «Glanzleistungen» nun die Regel sein werden oder wie oder was?



«Madonna» kopfvoran im Spreizsprung lässt wenig Gutes zur qualitativen Ausrichtung des neuen «bazkulturmagazin.» ahnen - warten wir die nächsten Nummern ab!

Wir haltens daher mit Bertolt Brecht, der die Premiere seiner Neuinszenierungen nicht an der Premiere feierte, sondern erst nach der dritten Vorstellung. Dann erst - so Brecht - ist die Inszenierung «kritikfähig». Darum bleiben wir dran und warten ein paar Tage mit der Inhaltskritik an der neuen baz. Nur so viel bis dann: das Kulturmagazin der baz wird dann wohl durchfallen!

Erste Nummer der neuen baz zu null Franken!

PS: Der Titel «Neue baz: Null…» bezieht sich auf null Franken. Denn die erste neue baz kann man mit null Franken erstehen. Die neue baz im neuen Kleid sieht proper aus. Aber hätten Sie bis hierher weitegelesen, wenn wir das schon im Titel erwähnt hätten?

Von Jürg-Peter Lienhard



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