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Artikel vom 12.06.2004

J.-P. Lienhards Lupe

Anti-Fussball

Klartext zum Thema

Alle reden von Fussball - auch ich…

Von Jürg-Peter Lienhard



Für Auge, Sinn und Seele: Nur so lasse ich mir Fussball gefallen. Die Damenunterwäsche-Produzentin Triumph-International hat eine eigene Multikulti-Mannschaft (pardon: Frauschaft) zusammengestellt - im sogenannten Triumph-Soccer-Bra in den Farben ihrer jeweiligen Landeszugehörigkeit. «Soccer» ist übrigens das englische Wort für Fussball und nicht «Football», was eine noch bescheuertere «Sportart» ist…Foto: Triumph-International, © 2004


Goooal, Gröl, Rülps und Co: Diese Spiesser sind in den nächsten Wochen wieder mal aktiv. Wieder mal? Es scheint, dass dies ein fortschreitender Klimawandel in der menschlichen Zivilisation bedeutet und somit schon alltäglich ist.

Jeder Dummkopf, der weder lesen noch schreiben kann, ist dabei. Weil die Dummen eben nicht merken, dass sie ausgenommen werden. Denn mit Sport hat Fussball ja genau so wenig zu tun wie das Bankgeheimnis mit Mutter Theresa: Fussball ist ein Geschäft, ein Milliardengeschäft und nichts anderes!

Die Zehntausenden in den Arenen bewegen ihre Bierbäuche und Schlappwaden ja nur, wenn sie ihre Fettärsche vom Sitzplatz erheben. Was hat das mit Sport zu tun? Mit einem Freundschafts-Mätschli auf der Quartierwiese, wo die Teilnehmer sich körperlich ertüchtigen? Eben nichts - und da von «Sport» zu sprechen ist ein sprachlicher Missgriff. Der Begriff «Sport» hat die genau gleich sinnentleerte Bedeutung wie «Freiheit», wenn Bush davon schwafelt.

Sport sollte Spiel sein, körperliches Spiel, das eine «sportliche» Einstellung erfordert: Teilnehmen ist wichtiger als Gewinnen; die Pervertierung zum «professionellen» Sport trägt zur körperlichen Verfettung der Gesellschaft bei. Schon die Kinder werden immer feisser, weil sie Sport lediglich am TV und bei MacDonalds treiben…

Ekelhaft ist, dass man sich dieser Fussbalfieber-Mode nicht und nirgends entziehen kann: Erst seit kurzem «feiern» die Fussball-Deppen auf dem Barfüsserplatz und nicht mehr im Joggeli, wo sie hingehören, aber das wird politisch einfach so hingenommen. Mit dem Velo einen Stoppsack überfahren gibt eine Busse - bei Hupkonzerten nach Fussballmatches stellt sich die Polizei taub. Die Masse, der Pöbel, diktiert - welch politischer, kultureller und gesellschaftlicher Zustand!

Eigentlich ist es ganz einfach: Dem Individuum fehlt Inhalt. Geistiger, kultureller und - eben auch menschlicher. Massenveranstaltungen sind zudem das krasse Gegenteil von Solidarität. Denn Massen, also Pöbel, sind Gegner oder Sieger - aber nicht Träger. Die Masse «feiert» den Sieg über den Besiegten; eine Bewegung aber zeigt sich mit dem Schwächeren oder Gefährdeten solidarisch, also verbunden.

Von Jürg-Peter Lienhard



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