Druckversion von "Die Basler Fasnachtsplakette 2016 ist ein Daumenkino " auf webjournal.ch


Artikel vom 29.12.2015

Fasnacht

Die Basler Fasnachtsplakette 2016 ist ein Daumenkino

Der Grafiker Guido Happle erhielt unter 61 Entwürfen von 10 Damen und 36 Herren den Zuschlag für die Realisation, zu der er auch gleich das Motto mitlieferte: «Mer mache dicht»

Von Jürg-Peter Lienhard



Duumekino: Serie der Plakette 2016 der Basler Fasnacht mit dem Motto: «Mer mache dicht». © foto@jplienhard.ch 2015


Was für ein origineller Einfall: Die Blagedde 2016 ist ein Daumenkino, das mit der Bronzenen anfängt und bis zum Bijou jeweils eine fortschreitende Sequenz zeigt. Das Thema sind die Innenstadtgeschäfte, wovon viele mit langer Tradition den Rolladen runterrasseln mussten. Eben «dicht gemacht» haben, was nun auch das Motto der Basler Fasnacht 2016 ist: «Mer mache dicht». Für mehr hier klicken:

Das Daumenkino ist vollständig, wenn man den ganze Satz betrachtet. Der «Hofsänger» des Basler Fasnachts-Comités, Alexander Sarasin, beschrieb das an der Pressekonferenz vor der Plaketten-Vernissage am Dienstag, 29. Dezember 2015, im Basler Volkshaus so: «D Kupfer, d Silber, d Gold macht dicht. Wiene Film lauft doo die Gschicht. Und dä Film kasch du elaige, jetz als Duumekino zaige. Dass das goot, kaufsch für dy Schatz daas Mool grad e ganze Satz…»



Der Blaggedde-Kinschtler mit seinem Werk: Guido Hepple © foto@jplienhard.ch 2015


Er spielt darauf an, dass, angefangen von der Bronzenen ein Waggis erst mal nur die ersten drei Lamellen eines Schaufenster-Rolladens herunterkurbelt, auf der Silbernen ist der Rolladen dann aber schon halb unten, und auf der Goldenen Plakette ist er ganz unten, also ganz «dicht». Doch das Kino geht noch weiter mit dem Bijou, wo um die Ladenecke zusätzlich eine Alti Dante lugt.

Aber auch die Interpretation geht weiter: Das Ladensterben in der Innenstadt Basels ist mit diesen vier Versionen desselben Sujets schon mal pointiert thematisiert. Und zudem ist es das erste Mal in der Geschichte sämtlicher Basler Fasnachtplaketten von (glaube ich, seit 1910), dass eine Plaketten-Serie das Sujet von Blagedde- zu Blagedden-«Währung» variiert.

Und dann lässt sich das Sujet auch zweideutig interpretieren: Nämlich nicht nur klagend wegen des Ladensterbens grosser Traditionshäuser der Innenstadt, sondern dass man sich denken könnte, der Waggis, der da auf der Bronzenen mit der Kurbel anfängt den Rolladen herunterzudrehen, dreht ihn eben runter, weil er das Geschäft nur für die Dauer der «drey scheenschte Dääg» im Jahr der Basler nur kurzzeitg dicht macht.



So fängt das Daumenkiono an - mit der bronzenen Plakette…




…gefolgt von der silbrigen…




…und der goldigen…




…sowie dem Bijou. © foto@jplienhard.ch 2015



Allerdings gibt es dabei noch ein kleines Detail zu beachten, das gleichwohl die ernste Absicht des Grafikers Guido Happle verdeutlicht: Nämlich der Wecker im Schaufenster des Waggis. Wecker sind fast immer auf den vergangenen Sujets der Plaketten-Künstler aufgetaucht, wie der neue Blagedde-Chef des Fasnachts-Comités, Adrian Kunz, erklärte. Diese Wecker zeigten stets sujetgemäss fünf vor Vieri, also knapp vor dem Beginn des Morgenstreichs.

Auf den Hepple-Blagedde-Versionen stehen die Zeiger des Weckers, zumindest auf der Bronzenen und der Silbernen, jedoch vielsagend auf fünf vor Zwölf…



Und so sieht der neue Blagedde-Chef Adrian Kunz aus - etwas streng, wie eben ein ernsthafter Ingenieur auszusehen hat. © foto@jplienhard.ch 2015


Die Blagedde 2016 ist somit nicht nur intelligent zweideutig lokalpolitisch und fasnachts-traditionell, sondern eben auch eine Gestaltungs-Premiere. An der nachfolgend an die Pressekonferenz abgehaltenen Präsentation für die Cliquen-Obmänner und -Frauen im prallgefüllten grossen Saal des Volkshauses, versprach sich Comité-Obmaa Christoph Bürgin von diesem Motto einige Anregungen für die kommenden Cliquen-Sujets.



Der prallgefüllte grosse Saal des Volkshauses noch bevor Obmaa Christoph Bürgin das Sujet-Geheimnis lüftete. © foto@jplienhard.ch 2015


Doch in seiner traditionellen Ansprache an die Obmänner und -Frauen kam er auf die uns alle betroffen gemachten oder bemerkenswertesten grössten Ereignisse in der Welt und in der Schweiz zu sprechen, die sicher einen Niederschlag in den Cliquen-Sujets finden werden. Aber als Jurist und Gerichtspräsident liess er es sich nicht nehmen, auch ziemlich deutlich (also im Falle gar nicht «humorvoll» gemeint) von der bevorstehenden sogenannten Durchsetzungsinitiative zu warnen. Auch wenn er sie nicht namentlich so benannte, so sagte er gleichwohl sehr deutlich, dass damit ein fundamentaler Angriff auf unseren Rechtsstaat und auf die Menschenrechte gesteuert werde.

Eine direkte Mahnung an die Fasnächtler, dass Fasnacht in Basel eben nicht Sauglattismus bedeutet, sondern mitunter mit beissender Ironie und Witz hochpolitische Themen aufgegriffen werden können. Man darf also gespannt sein, was diese Worte des Obmaas für Wirkung in den Sujets zeitigen werden.




Comité-Mitglied und SRF-Moderatorin Nicole Salathé interviewt an der Blagedde-Vernissage der Cliquen-Obleute den Entwerfer Guido Happle. GIZ, wie er sich nennt und sich so auch auf der Plakette verewigte, brachte den Saal zum Schmunzeln, als er der Nicole schlagfertig erwiderte, dass er, weil er in Basel zuhause ist, eben nach Lörrach und Weil einkaufen gehen kann, während sie eben - ätsch-bätsch - in Zürich wohnt… © foto@jplienhard.ch 2015

Von Jürg-Peter Lienhard



Druckversion erzeugt am 11.03.2021 um 00:59