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Artikel vom 27.02.2011

Ottokars Cinétips

«Mit dem Duke lege ich mich nicht an»

Die Coens lassen den Western wieder aufleben - mit dem Remake von Tru Grit, der 1969 als «Duke» John Wayne dessen einzigen Oscar einbrachte

Von Ottokar Schnepf



Jeff Bridges ist ein Phänomen. Kaum ein Schauspieler war so lange so erfolgreich: Der heute 61-jährige ist seit über 40 Jahren im Film-Business. Statt durch Skandale und Extravaganzen hat er sich mit glänzenden Darstellungen in «The Last Picture Show» (1971), «The Fabulous Baker Boys» (1989), «Wild Bill» (1995) und natürlich als «Dude» in «The Big Lebowski (1998) unvergesslich gemacht. Jetzt kommt noch seine Rooster-Cogburn-Verkörperung hinzu.


«Der Marshal», wurde 1969 Henry Hathaways Western «Tru Grit» deutsch getitelt, in dem John Wayne einen versoffenen, fetten, alten Sheriff spielte, der von einem 14jährigen Mädchen angeheuert wird, ihr bei der Suche nach dem Mörder ihres Vaters behilflich zu sein. «The Big Idiot» (John Ford über John Wayne) bekam für die Rolle dieses einäugigen «Rooster» Cogburn seinen einzigen Oscar, bei dessen Entgegennahme er meinte: «Hätte ich früher gewusst, was ich jetzt weiss, dann hätte ich schon vor 35 Jahren eine Augenklappe getragen.»

Jetzt hat das Brüderpaar Joel und Ethan Coen von «Tru Grit», was soviel heisst wie wahrer Mut, ein Remake gedreht. Wer denn sonst als Jeff Bridges sollte die Rolle des «Rooster» Cogburn übernehmen, das war für die Coens von Anfang an klar. Denn schon 1995 in Walter Hills «Wild Bill» brillierte Jeff Bridges als Western-Legende Wild Bill Hickok. «Mit dem Duke lege ich mich nicht an», war die erste Reaktion von Jeff Bridges auf das Rollenangebot.

Der Star, der sich die Aura eines Aussenseiters bewahrt hat, war sich klar darüber, nicht in die Stiefel von John Wayne zu schlüpfen, fragte sich aber, warum die Coens diesen Stoff noch einmal inszenieren wollten. Deren Antwort ist, dass sich gar keiner so recht an den Wayne-Film erinnert und es ihnen um eine werkgetreue Adaption des Romans von Charles Portos ginge.

Obwohl bis in die Sechziger Jahre der Western weltweit das bedeutendste Genre des Kinos war, sind die Pferdeopern seither immer seltener geworden. Und jene, die Europa erreichten, wurden von Publikum und Kritik kaum beachtet. Western sind deshalb heutzutage Kassengift. Und trotzdem, Coens «Tru Grit» wurde eben an der Berlinale als Eröffnungsfilm des Festivals gezeigt. Das hilft vielleicht für ein Aufleben des «Cinema americaine par excellence» (André Bazin), denn mehr als jeder andere Coen-Film und so viel wie kein anderer Western der letzten 20 Jahre hat «Tru Grit» allein in den USA bereits eingespielt.

Ob dieser Erfolg der Geschichte der kecken Mattie zu verdanken ist, die den Mord an ihrem Vater rächen will und dafür den versoffen-skrupellosen US-Marshal Cogburn um Hilfe bittet? Oder ob der letzte Hollywood-Aussenseiter, der 61-jährige Jeff Bridges, ganz einfach die Massen ins Kino lockt? Wir wissen es nicht.

Doch eines ist klar: für ihre Markenzeichen wie den finsteren Humor, unerbittliche Gewaltmomente oder kuriose Randfiguren fanden die Coens in der Vorlage reichlich Material, gleichzeitig nähern sie sich dem ältesten Genre der Kinogeschichte ohne Ironie. Dabei wird deutlich, dass es im Western nie allein um Helden und Schurken ging, sondern um amerikanische Charaktere, die offen und nie ganz zu Ende erklärt sind, in denen sich das Tragische und Heroische immer auch mit dem Komischen und Grotesken trifft.

Das Ergebnis ist ein ebenso lässiger wie kurzweilig inszenierter Western.

Von Ottokar Schnepf



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