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Artikel vom 01.01.2011

Ottokars Cinétips

Top- und Flop-Filme

Das Basler Kino-Jahr 2010 ist zu Ende gegangen - ein kritischer Blick zurück mit unserem Filmrezensenten

Von Ottokar Schnepf



Grafikmontage: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Sechs Filme, die im vergangenen Jahr in den Basler Kinos liefen, verdienten nach Meinung von Ottokar Schnepf das Prädikat sehenswert. Sechs weitere jedoch gehörten in die Mülltonne.



Ottokar Schnepf: Seine Wertungen sind zwar subjektiv, basieren aber auf einer «Datenbank» von mehreren tausend visionierten Filmen währen über 40 Jahren. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011

Die 6 Tops




«Un prophète»



Der Film des Franzosen Jacques Audiard ist der Film des Jahres, der das Gefängnis als Metapher der Gesellschaft zeigt und zugleich eine Rassenstudie ist. Ein grandios fotografierter und kompromissloser Film, der dem Kino das gibt, was ihm gebührt: Intelligente Unterhaltung mit Tiefgang.


«El secreto de sus ojos»



Ein düsterer Krimi über einen Mord und eine wunderbare Geschichte über die Macht der Liebe, von Regisseur Juan José Campanell in Rückblenden und mit viel
Beobachtungsgabe sowie mit Verweisen auf die politischen Unruhen in Argentinien während der 70er Jahre erzählt. Ein grossartiger Polit-Thriller.


«Ghost Writer»



Ein weiterer Polit-Thriller in Roman Polanskis Filmographie; eine geschickt auf vordergründige Spannung angelegte und hintergründig mit feinem Humor gewürzte Story um einen an Tony Blair erinnernden Ex-Premierminister mit düsterer Vergangenheit.


«A Serious Man»



Auf denkwürdigen Umwegen bewegt sich dieses Werk der Coen-Brüder ins Jahr 1967. Held ist ein jüdischer Collegeprofessor, dem Ehekrise, Depressionen und ein paranoider Bruder zusetzen. Makaber und schwarzhumorig in bester Coen-Tradition.


«Mammuth»



Ein schlichter Metzger, der mit dem Dasein als Rentner nichts anzufangen weiss, begibt sich mit seinem Motorrad auf eine Reise in seine Vergangenheit. Allein schon Gérard Depardieu lohnt den Kinobesuch von Benoit Delépines unterhaltendem Milieufilm.


«Police, Adjectiv»



Mit einem auf den ersten Blick verwirrenden aber um so passenderen Titel lädt der rumänische Regisseur Corneliu Porumboiu zu einem berückend qualitativen Kinoerlebnis ein und schildert einen Polizisten in Zivil beim Ausüben seines seiner Meinung nach überflüssigen Jobs.


Die 6 Flops




«Jud Süss»



Oskar Roehlers Biopic über den antisemitischen Hetzfilm von Veit Harlan aus dem Jahre 1940 wurde zur totalen Entgleisung; eine Geschichtsfälschung im Mantel der historischen Nazi-Groteske. Geht's noch geschmackloser?


«Little Fockers»



Bereits zum dritten Mal muss sich der Möchte-Gern-Komödiant Ben Stiller bei seinem Schwiegervater Robert De Niro - shame-on-you - behaupten. Die abermals «brillante» Besetzung kann einmal mehr kaum über die schlappen Variationen bekannter Gags und das Drehen an der Eskalationsspirale hinwegtäuschen. Geht's noch dümmer?


«Wall Street 2»



Michael Douglas kehrt in die Rolle des Gordon Gekko an die Wall Street zurück, findet sich dort ebenso wenig zurecht wie Regisseur Oliver Stone, der mit einer trivialen und verworrenen Seifenoper weit hinter die Komplexität des Themas zurückfällt.


«The Tourist»



Gipfeltreffen in Venedig: Angelina Jolie trifft Johnny Depp; die Polizei ist auch dabei. Der mit Vorschusslorbeeren überhäufte Florian Henckel von Donnersmarck verwirklicht seine Vorstellung von Glanz und Glamour - und fällt dabei voll auf die Schnauze. Fazit: Stars alleine machen noch lange keinen guten Film.


«The American»



Herrliche Blicke auf die Abruzzen, aber kaum eine Story. Der Film des Fotografen Anton Corbijin mit George Clooney in der Hauptrolle ist visuell prächtig, aber
langweilig.


«You Will Meet a Tall Dark Stranger»



Woody Allens allzu glatte Generationenkomödie bedient sich mit boulevardesken London-Klichees und beobachtet schadenfroh die vier Protagonisten, wie sie mit Gin und Spiritismus bzw. dysfunktionalen Viagra-Pillen Opfer ihrer Torschlusspanik werden. Trie it again, Woody!




Die «Top» oder «Flops» angerichtet haben die Kinobetreiber. Filmrenzensent Ottokar Schnepf ist jedenfalls nicht nur ein perfekter «Anrichter», was seine Filmberichte angeht, sondern auch ein hervorragender Koch und Gastgeber mit Stil und Geschmack. Hier bei der Vorbereitung eines «Dinner for Two», wobei auf der Foto nicht gut darstellbar ist, dass er selbst für nur zwei Gedecke die Teller vorgewärmt hat und erst noch gebügelte Servietten aus Stoff auflegt… Verdient zehn Daumen rauf! Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011

Von Ottokar Schnepf



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