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Artikel vom 02.05.2004

Tutanchamun

Wie liest man Hieroglyphen?

Kurt Lambelets «ORBIS TERRAE AEGYPTIAE» - ein kleines Werklein für die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen - ausgegegraben

Von Jürg-Peter Lienhard



Thotmes III Stela. Hieroglyphische Inschrift. Aus: «Wie liest man Hieroglyphen?» von K. Lambelet, 1974

BASEL.- Erst wenige Wochen sind ins Land gezogen, seit Pharao Tutanchamun im Basler Antikenmuseum, Sammlung Ludwig, angekommen ist. Die Museumsverantwortlichen sind gleichwohl vom ungewöhnlichen Interesse des Publikums überrascht worden, obwohl sie auf einen grossen Zulauf zur Ausstellung gesetzt hatten. Wartezeiten sind deshalb länger als vorgesehen. Zeit also, um sich auf die Entzifferung der Hieroglyphen vorzubereiten…



So hätten die alten Ägypter webjournal geschrieben, hätte es damals schon Internet gegeben…

In der Zeitung beklagte ein Leser, dass in der Basler Ausstellung, und vor allem im Katalog, keine Hinweise zu den altägyptischen Hieroglyphen zu finden seien. Als kleine Dienstleistung an unsere Leserschaft habe ich in meiner privaten Bibliothek in der Abteilung Enzyklopädien ein kleines Werklein gefunden, das über die Hieroglyphen der Pharaonen-Kulturen Aufschluss gibt. Aber gleichzeitig mit seinem Auffinden förderte dieses 1974 erschienene Bändchen den Blick auf dessen Autor.

Buchhändler und Fotosammler Lambelet

Es handelt sich um Kurt Lambelet, Ägyptologe, Buchhändler in Kairo und Sammler von Fotos aus den Anfängen des Kairoer Verlages «Lehnert & Landrock Succ.». Lambelet verfasste 1974 in seiner Reihe «ORBIS TERRAE AEGYPTIAE» eine kleine Anleitung zum Verständnis der Entzifferung der Hieroglyphen, die wir hier in einer Zusammenfassung und mit ein paar Beispielen veröffentlichen. Über Lambelet und seine aussergewöhnliche Fotosammlung - die jetzt sein Sohn Edouard in Kairo betreut -, können Sie weitere Informationen im PDF-Format finden, indem Sie am Schluss dieses Artikels auf den entsprechenden Link klicken.

Hier lesen Sie also aus dem vergriffenen Bändchen von Kurt Lambelet «Wie liest man Hieroglyphen» die Einleitung, die ebenfalls eine kurze Einführung zum Verständnis der Pharaonen-Schriftzeichen ist.

Die Hieroglyphen

«Es besteht kein Zweifel, dass die Hieroglyphenschrift aus einer Bildzeichenschrift entstanden ist, so wie sie auf der Palette von Narmer zu sehen ist.

Die ältesten Inschriften stammen aus der Zeit der Reichs-Einigung, etwa 3000 v. Chr., und die letzte datierte aus dem Jahre 394 unseres Zeitalters.

Der Übergang von Bildschrift bis zum Zeichenreichtum der historischen Schrift, muss sich in dem verhältnismässig kurzen Zeitraum von etwa drei Generationen verwirklicht haben, denn in der 3. Dynastie unter König Zoser finden wir schon perfekte Inschriften in Hieroglyphenschrift.

Neben der Schrift, die auf Bauwerken und Kunstgegenständen verwendet wurde, entstand noch eine Kursivschrift. Der Unterschied ist ungefähr wie der unserer Druckschrift zur Handschrift. Diese Kursivschrift nennt man «Hieratisch», die bis etwa 700 v. Chr. in Gebrauch war. Seit dieser Zeit wurde dann eine vereinfachte Schrift für Verträge und Protokolle verwendet, die man «Demotisch» nannte. Die letzte Form der Schrift, die in Ägypten vor dem Arabischen in Gebrauch war und aus dem Demotischen stammte, ist die «koptische Schrift», die sich der griechischen Lettern bediente unter Beifügung einiger weiterer Buchstaben und besonders von Vokalen.

Die koptische Schrift wird heute noch für liturgische Texte verwendet.



Aus: «Wie liest man Hieroglyphen?» von K. Lambelet, 1974

Die Hieroglyphen waren lange im wahrsten Sinne «Hieroglyphen», da die Kunst, diese zu lesen, vollkommen verloren ging. So rätselte man jahrhundertelang, um den Sinn dieser Inschriften zu verstehen. Erst Jean-François Champollion (1790-1832) vermochte zum ersten Mal die Hieroglyphen richtig zu deuten. Französische Soldaten fanden den berühmten «Stein von Rosetta», ein Dektret Ptolemaios V in griechischer, demotischer und hieroglyphischer Schrift. Durch Vergleichen dieser Texte und besonders derjenigen mit ovaler Umrandung der Königsnamen «Ptolmees» und «Kleopatra», konnte er mit Sicherheit die ersten Buchstaben des hieroglyphischen Alphabets erkennen.



Aus: «Wie liest man Hieroglyphen?» von K. Lambelet, 1974



Der Stein von Rosetta - der Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen: Deutlich sieht man die drei Schriftbilder auf der Tafel, die jeweils in ihrer Sprache den gleichen Text enthalten und es J.-F. Champollion ermöglichte, mit dessen Vergleich die Hieroglyphen zu entziffern. (Champollion schuf die «Grammaire égyptienne» und den «Dictionnaire égyptien».) Foto aus: «Wie liest man Hieroglyphen?» von K. Lambelet, 1974

Nun zur Schrift selbst, das Wort Hieroglyphen stammt aus dem Griechischen und heisst übersetzt «Heilige Schrift» (Hieros = heilig, Gluphein = einprägen).

Die alten Ägypter hatten als erste in der Welt das Alphabet mit 24 Buchstaben erfunden. Wären sie bloss dabei geblieben, dann könnte man heute mit Leichtigkeit Hieroglyphen lesen. Die Priester, die diese Schriftt kannten und lehrten, erfanden im Laufe der Jahrhunderte neben den 24 Buchstaben (phonetische Zeichen) noch über 700 Wortzeichen (Silbenzeichen), die ohne weiteres mit den oben genannten Buchstaben hätten geschrieben werden können. Ausserdem gab es poch eine Menge Deutzeichen (Determinative) aus folgendem Grunde: im Hieroglyphensystem gibt es keine kurzen Vokale genau wie im heutigen arabischen Alphabet. Stellen Sie sich vor, man würde zu deutsch z. B. das Wort MST schreiben, das könnte also Mast oder Most bedeuten.

Deshalb musste man ein Deutzeichen hinter das Wort setzen, z. B. für Mast eine Stange mit einer Fahne darauf, für Most einen Mann mit einem Becher.

Zu bemerken ist noch, dass man in der Hieroglyphenschrift grammatikalisch alles schreiben konnte: Einzahl, Mehrzahl, Deklination, Konjugation usw., gerade alles, was uns einst in der Schule so viel zu schaffen machte. Kein Wunder, dass nur die Priester und wenige Schreiber mit diesen vielen Zeichen die Kunst des Schreibens in Hieroglyphen vollkommen beherrschten.

Die Hieroglyphen können von rechts nach links und von links nach rechts oder auch von oben nach unten gelesen werden, je nach der Bildkomposition. Die Richtung der Köpfe zeigt jeweils nach dem Anfang.»

Von Jürg-Peter Lienhard

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