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Artikel vom 24.04.2009

Rubrikübergreifendes

Non, nous ne voulons pas…

Ein einzelner Bieter aus dem Baselbiet hat das Zaugg-Haus in Porrentruy zu einem wahrhaftigen Schäppchenpreis ersteigert

Von Jürg-Peter Lienhard



Hat gut lachen - bei so eine Schnäppchen ist die Spekulation spielend aufgegangen: Günther Dürr, Käufer der Maison Zaugg, nach der Zwangsversteigerung vor dem Konkursamt Porrentruy. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2009


Freitagmorgen, 24. April 2009, rue Cuenin, Porrentruy, Services des Poursuites, 10 Uhr: Nur wenige Leute, die meisten Neugierige, fanden sich im Sitzungszimmer im Parterre des Betreibungs- und Konkursamtes von Pruntrut ein. Einziges Traktandum: Das Turberg-Haus, das nach einem halbfertigen Umbau aufgrund eines Konzeptes der Basler Architekten Herzog & De Meuron nun nach dem Konkurs der Stiftung Rémy Zaugg zwangsversteigert werden sollte. Nach dem ersten Gebot der jurassischen Kantonalbank von 350'000 Franken folgte gleich das zweite und letzte: 400'000 Franken.

Den Zuschlag erhielt Günther Dürr, seinen Angaben zufolge Architekt und Makler von Seltisberg BL, der zusammen mit seinem in Mulhouse wohnhaften Bruder Georg, «solche» Häuser aufkauft, um sie in Wohnungen umzubauen. Laut Günther Dürr habe sein Architekturbüro in Magden auch das «Pöschtli» erworben und umgebaut.

Verschiedene Einwohner Porrentruys hatten sich in Zusammenhang mit dem Konkurs der Stiftung des jurassisch-baslerischen Künstlers Rémy Zaugg dafür interessiert, das unfertig restaurierte Gebäude gemeinsam zu erwerben, um es als Genossenschaft für Wohn-Eigenbedarf um- oder fertigzubauen. Doch offenbar haben sich die zumal weiblichen Interessenten dann doch im letzten Moment anders entschieden.

Zum Bedauern einer Nachbarin am gegenüberliegenden Ufer der Allaine, die sich für einen Stockwerkteil interessierte, sei das historisch wertvolle Gebäude nun «zu einem skandalös niedrigen Preis» weggegangen. Für 400'000 Franken wären genügend interessierte Teilhaber zu finden gewesen, meinte sie. Doch habe man mit einem viel höheren und daher illusorischen Preis gerechnet. Nun hätten aber nicht nur die interessierten Frauen, sondern auch Porrentruy «in den Mond geguckt».

Bürgermeister Gérard Guenat hatte im Interview mit webjournal.ch (siehe Artikel vom 22. April 2009) deutlich gemacht, dass die Stadt das Gebäude aufgrund ihrer Finanzlage nicht kaufen will, zumal sie sich mit dem Haus «l'Inter», dem Kulturpojekt und Theatersaal aus der «Belle Epoque», bereits finanziell über Gebühr engagiert habe. Für eine Opponentin ist diese Aussage eher eine Ausrede, denn auch beim Inter-Haus geschehe nichts, und die Versprechungen dienten allein zur Hinhaltung.



Bürgermeister Guenat favorisiert dieses Haus aus der «Belle Epoque». Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2009


Wie dem auch sei - ein historisch derart bedeutendes Gebäude und mächtiger Blickpunkt in der Altstadt, hätte der Stadt ein Anliegen sein müssen. Dies meinte auch Schreinermeister Claude Lièvre, der Bauführer zu Lebzeiten des Stifters Rémy Zaugg und ein fachkundiger Kenner dieser schwierigen Bausubstanz war. Er bot sich dem Käufer Dürr auch weiterhin als Handwerker an, zumal er wegen des abrupten Todes des Künstlers im Jahr 2005 und des darauf folgenden Konkurses wesentliche Forderungen aus Arbeiten im nun eingestellten Umbau in den Kamin schreiben musste. Doch die Antwort war sehr vage. Um 10.30 Uhr gab er sämtliche Schlüssel, die er im Mandat des federführenden Konkursamtes Basel-Stadt in Obhut hatte, an Günther Dürr ab. «Damit ist ein Traum zu Ende gegangen - packen wir die nächste Aufgabe an», sagte er danach zu mir tapfer und wacker entschlossen.

Eine halbe Stunde nach der Versteigerung trat eine hochgewachsene junge Blondine in schwarzem Mantel ins Foyer des Betreigungsamtes: Es war die Tochter Zauggs. «Mais, Madame, c'est trop tard!», sagte einer der Anwesenden beim Hinausgehen…




Im Schaufenster eines amerikanischen Fotografen, der in der Altstadt Porrentruy sein Geschäft hat, hängt ein Bild Obamas mit seinem zum geflügelten Wort gewordenen Credo: «Yes we can»… Auf Pruntruterisch übersetzt heisst das: «Non, nous ne voulons pas»… Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2009

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Von Jürg-Peter Lienhard

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