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Artikel vom 29.01.2008

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J.-P. Lienhards Lupe

Fussgängerstreifen sind gefährlich!

Mit der Abschaffung von «Handzeichen schaffen Klarheit» haben die Verantwortlichen viel Leid auf sich geladen, wie auch eine Studie des TCS belegt

Von Jürg-Peter Lienhard



Vier berühmte Fussgänger auf dem Fussgängerstreifen: Zwei sind schon tot, allerdings nicht wegen Automobilisten.


Recht haben und Rechthaberei sind im Strassenverkehr hochgefährlich! Und auf Rücksicht zu vertrauen, kann tödlich enden. Daran ändern auch Gesetze mit hohen Bussenandrohungen nichts! Das Kind ist mit dem Bad ausgeschüttet worden, als die Verkehrsexperten der Schweiz 1994 den Fussgängern vermittelten, dass sie auf dem Fussgängerstreifen voll geschützt seien, weil sie voll im Recht sind!

Ich bin im Spätsommer 1994 auf meinem Roller schwer gestürzt, weil ich durch eine vor mir abrupt stark bremsende Automobilistin derart erschrocken bin, dass ich eine Vollbremsung einleitete. Die gedankenlos «gesetzestreue» Frau hatte vor dem Fussgängerstreifen bei der alten Gewerbeschule angehalten, weil zwei Personen in der Nähe des Streifens standen - dort aber auf den Bus warteten und nicht im Sinn hatten, den zu verpassen, indem sie der Automobilistin Gelegenheit geben wollten, sich «gentlemanlike» zu verhalten. Mir gegenüber, der wegen ihr stürzte, verhielt sie sich jedenfalls überhaupt nicht «genlemanlike», sondern haute einfach ab…

Es ist eine der idiotischsten Massnahmen, die sich Technokraten des Strasenverkehrs je ausgedacht haben - angeblich zur Erhöhung des Schutzes von Fussgängern -, nämlich 1994 die Abschaffung der klaren und eindeutigen Verhaltensweise für Fussgänger: «Handzeichen schaffen Klarheit!». Diesen «gutmenschigen» Technokraten war das Handzeichen zu viel Zugeständnis an den motorisierten Verkehr, es musste abgeschafft werden - und viele, sehr viele, nein, in jedem Fall ZU viele starben deswegen!

Egal wie alt, wie beweglich man ist, als Fussgänger ist man nie so gradlinig wie ein Fahrzeug. Hinzu kommt, dass die Bewegung bestimmt ist von Musse oder Eile, von Gedankenlosigkeit und von Stress oder von Spiel bei Kindern. Man kann vor einem Fussgängerstreifen einfach stehenbleiben, ohne dass man über die Strasse will, einfach so, weil es einem gefällt, oder weil einem die Sonne Glück verheisst - das ist nicht verboten und bedeutet nichts, nicht mal eine «Willenskundgebung»!

Wenn man früher über die Strasse wollte, so besann man sich auf den wirkungsvollen Slogan «Handzeichen schaffen Klarheit!», man zeigte mit der Hand, dass man im Begriff ist, über die Strasse gehen zu wollen. Auch der Greis hob den Stecken und deutete seine Absicht an. Kinder blieben stehen, guckten, wie sie es im Kleinkindergarten gelernt hatten, zuerst nach links, dann nach rechts und hoben dann die Hand!

Dass Rowdies und andere Deppen solche deutlichen Zeichen absichtlich missachten, weil sie sich eben als Stärkere im Recht fühlen, zumal ein solches Verhalten zur menschlichen Natur gehört und nur durch die Zivilisation eingedämmt wird, hat zur Einsicht geführt, dass man diese Art Rücksichtslosigkeit stärker sanktionieren muss. Eben, weil sie «natürlich» ist und zivilisatorisch geregelt werden muss.

Die Einsicht ist richtig, der Schutz der Fussgänger sogar ein grosses Bedürfnis, weil die Autokultur unserer Gegenwart stets über die Zivilisationskultur gestellt wird: Die Autokultur ist das Schlimmste, was der Menschheit in seiner kurzen Daseinsgeschichte auf dem Planeten zugestossen ist und unseren Lebensraum und unser Sozialverhalten grundlegender verändert hat, als Kriege und Atombomben…

Doch die Verkehrstechnokraten haben noch andere menschliche Eigenschaften übersehen - nämlich die Rechthaberei. Zumal wenn man sich im Recht befindet. Vor Gericht mag das ja gelten, da kann das Urteil eben Klarheit schaffen und einen Anspruch durchsetzen. Im Strassenverkehr und dort auf dem Fussgängerstreifen ist es reiner Selbstmord, wie die TCS-Studie im Rahmen seines EuroTest-Programms der von der FIA-Fundation mitfinanzierten europäische Studie über Fussgängerstreifen in zehn europäischen Staaten bestätigt. Zumal in der Schweiz mehr Fussgänger auf den Fussgängerstreifen getötet werden, als in anderen europäischen Ländern…

Das ist aber beileibe nicht NUR der Fehler von Automobilisten, sondern zuerst von Fussgängern - so paradox es tönt! Denn mit den neuen Verordnungen glauben sich Fussgänger auf dem Fussgängerstreifen derart im Recht, dass sie einfach kopflos unter die Räder laufen… Der Widersinn geht so weit, dass man manchmal den Eindruck hat, dass die Fussgängerstreifen-Fussgänger «es seit dem neuen Gesetz den Automobilisten zeigen wollen», wer auf der Strasse am längeren Hebel sich befindet und hinterlistig flüssige Kolonnen wirkungsvoll zum Halten zu bewegen verstehen. Selbst wenn, und das ist ja die überwiegende Zahl der Fussgänger, dass die selber Automobilisten sind, das Auto grad um die Ecke abgestellt haben zum Einkaufen zu Fuss…

Das Gesetz kann lange den Fussgänger auf dem Fussgänerstreifen bevorzugen, aber damit nie und nimmer vor einem folgenschweren Unfall schützen. Vor Unfällen auf dem Fussgänerstreifen müssen sich die Fussgänger nämlich zuallererst selber vorsehen! Und das tut man am besten, indem man ein deutliches Handzeichen gibt, während man dem Auomobilisten durch die Windschutzscheibe ins Gesicht guckt, um ja zu sehen, dass er mich selber auch gesehen und verstanden hat. Erst, wenn der Automobilist durch Verlangsamen oder gar durch Anhalten mir den gesetzlich zwingend notwendigen, aber nie echt garantierten Vortritt erteilt, kann man sicher sein, dass er einen nicht über den Haufen fährt.

Allerdings kann dann immer noch ein Velofahrer einen umrempeln, oder ein Rodwdy kann den anständig anhaltenden Automobilisten überholen… Es ist einfach so: Auf der Strasse (inklusive Trottoir!), ist man nie allein, ist nie vor Deppen gefeit und muss daher - Gesetze hin oder her - die Augen, die Ohren und möglichst alle Sinne offen haben!

Ist Ihnen Ihr Leben lieb, so geben Sie künftig wieder deutliche Handzeichen. Sie schaffen damit nicht nur Klarheit über ihren Willen, sondern Sie können den Rowdy anzeigen. Aber nur, wenn Sie noch nicht von ihm totgefahren worden sind. Darum ist es wichtig, dass Sie auch die Wirkung der von Ihnen gezeigten Willensäusserung erkennen können. Wiederholen Sie sie auch in der Strassenmitte, wo es eben brenzlig wird, anstatt einfach stur auf dem Streifen weiterzulaufen - Gesetz hin oder her.

Es dient Ihrer Gesundheit und vor allem Ihrem LEBEN! Das haben die Technokraten von 1994 nicht bedacht! Die vielen Fussgängerstreifen-Toten seither jedenfalls sind der Technokraten ihr Verschulden! Geben Sie künftig wieder Handzeichen - das Gesetz rettet Sie nicht, denn es ist nur Papier!


• Lesen Sie die Studie des Touring-Clubs der Schweiz (TCS); Sie können sie mit nachfolgendem Link im Format PDF herunterladen.

• Lesen Sie auch das Faktenblatt Fussgänger - ebenfalls nachfolgend herunterladbar im Format PDF

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Fussgängerstreifen-Studie des TCS

• Faktenblatt Fussgänger


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