Anzeige:
Abschaltung

Artikel vom 19.07.2007

Druckversion

Basel - Allgemeines

Was ist denn da los?

Zum ersten Mal seit Jahren lud der Basler Zolli die Medienschaffenden der Region zu einem aussergewöhnlichen Abend-Presse-Apéro

Von Jürg-Peter Lienhard



Die Riesenteleskope der Fototgrafen auf dem Bild haben weder Marsmenschen noch den Mann im Mond im Visier - sondern etwas viel Spannenderes, Süsseres und Selteneres.


Und das mitten in der Ferienzeit, dieser schrecklich ereignislosen, dieser Alptraum der Redaktoren und oftmals fruchtbarste Zeit für saure Gurken: Der Basler Zolli hatte eine Übung vor, bei der er keine Garantie abgeben konnte, ob sie von Erfolg gekrönt sei. Doch es wurde eine Sensation! Wir machen es spannend? Ja, dann klicken sie auf weiter…



Haben wir zuviel versprochen? Sind sie nicht süss, die kleinen Löwenbuschis? Bisher waren sie nur über einen Monitor aus der Wurfbox zu sehen. Nun tollen sie auf der Aussenanlage herum. Alle Fotos: J.-P. Lienhard, Basel © 2007


Der Extra-Apéro des Basler Zoos, von den Einheimischen bis weit über die drei Genzen hinaus liebevoll «Zolli» genannt, am Donnerstagabend, 19. Juli 2007, war einer der bestbesuchten seit langem, obwohl die regelmässigen monatlichen Presse-Apéros stets viele Journalisten und Photographen anziehen. Der Zolli hatte angekündigt, dass die am 11. Juni 2007 hinter den Kulissen in einer speziell eingerichteten und behüteten Wurfbox zur Welt gekommenen Namibia-Löwenjungen nun erstmals in die Aussenanlage gelassen würden. Weil Löwen eher nachtaktive Tiere sind und tagsüber einfach nur faul herumliegen, war der erste «Ausgang» der Jungmannschaft eben für die Abenddämmerung geplant.

Löwenwärter Max Christen half den ersten Schritten der Jungtiere «in die weite Welt» mit einem Trick etwas nach: Als das Rudel der erwachsenen Löwen aus der Wurfbox rausmarschiert war, schloss er den Schieber bis auf einen Spalt, damit die Alten nicht wieder rein durften, die Jungen aber sehr wohl nachfolgen konnten.

Es war aber auch für die Medienvertreter und Photographen eine Geduldprobe. Zunächst mussten sie sich ganz still im Gamboa-Haus einfinden, damit die Löwen sich an den Massenauflauf zu so ungwohnter Stunde gewöhnen konnten. Von den Jugen war zunächst absolut nichts zu sehen, denn Löwen pflegen nicht so häufig den Rasen zu mähen, wie mein nervend pingeliger Nachbar…

Kurator Jakob Huber benutzte die «Anpassungsstunde», um ausführlich die wichtigsten Informationen zur Geburt und zu dieser speziellen und hochgefährdeten namibischen Löwenrasse darzulegen.

Es ist das zweite Mal seit der Eröffnung der neu und speziell für die Löwenpopulation gebauten Etoscha-Anlage im Jahr 2003, dass die aus drei Löwen, zwei Weibchen und einem Männchen, bestehende Löwenfamilie zu Jungen kam. Die ersten Geschwister vom Dezember-Wurf 2005, Cabara und Catali, sind im April dieses Jahres an den Saint-Louis-Zoo in den USA weitergegeben worden (webjournal.ch berichtete im April 2007 - siehe Link am Schluss: «Familienfriede gefährdet»). Der jetzige Wurf bestand ursprünglich aus vier Welpen, wobei zwei eingeschläfert werden mussten, was der Zolli im nachstehend abgedruckten Communiqué ausführlich begründet.

Gewissermassen für das «Wochenbett» der zweiten Geburt am 11. Juni 2007 haben die Betreuer eine geschützte Wurfbox im Löwenstall eingerichtet, wohin sich in den ersten vier Wochen weder Tierpfleger noch Tierarzt Zutritt verschafften, um dem kleinen Löwenrudel so viel Ruhe wie möglich zu gewähren. Doch ein Geschenk des Freundevereins des Basler Zolli ermöglichte Besuchern und Zolli-Leuten ständig beobachten zu können, wie es in der Wurfbox zu und herging: Der Freudeverein schenkte dem Zolli eine Überwachungskamera, die das Geschehen auf einen Monitor im Haus Gamgoas übertrug. Auch das Rudel spielte prächtig mit, indem es genau den Platz einnahm, den der Blickwinkel der Kamera abdecken konnte…

Als an diesem ersten «Ausgehtag», besser gesagt «Ausgehabend», die Löwen die Fotografen-Meute erblickten, fauchten sie jedoch heftig, so wie man das von Filmstars und anderen Diven kennt, wenn sie von Paparazzis aufs Korn genommen werden. Kurator Huber bezeichnete dieses Verhalten als «protektiv», als Beschützerverhalten - auch wenn Menschen bewaffnet mit Fotoapparaten eher harmloser sind als solche mit Schiessgewehren…

Aber lassen wir doch - nach der folgenden Fotostrecke - für alles Weitere den Zolli grad selbst zu Wort kommen. Zumal für die Frage: «Warum die Löwen in Afrika unsere Hilfe brauchen» und für die unsentimental und doch tierisch gut beantwortete Frage: «Warum im Zoo Basel in gewissen Situationen Jungtiere getötet werden?».






Alle Fotos - mit Ausnahme der untersten aus der Wurfbox: J.-P. Lienhard, Basel © 2007.


Die Löwenfamilie im Zolli

zoobasel.- Die Zolli-Löwenfamilie besteht aus dem Männchen Mbali (5) sowie dem Weibchen Cora (5), der Mutter der zwei Würfe, Okoa (5), und den Jungen. Die erwachsenen Tiere kommen aus den Reservaten Pilanesberg (das Männchen) und Madikwe (die Weibchen), zwei staatlichen Parks im Nordwesten von Südafrika. Bis Anfang der neunziger Jahre lebten keine Löwen mehr in diesen Reservaten. Dann wurden aus Namibia 19 Tiere importiert und mit Sendern versehen freigesetzt. Sie vermehrten sich in der Folge so gut, dass aus dem Überbestand drei Tiere nach Basel abgegeben werden konnten.

Warum die Löwen in Afrika unsere Hilfe brauchen

Die afrikanischen Löwen werden nach der Roten Liste der IUCN (The World Conservation Union) als gefährdet eingestuft. Gründe dafür sind Zerstückelung und Verlust von Lebensraum und Krankheiten wie Tollwut und Staupe, die unter anderem durch freilaufende Haushunde verbreitet werden. Illegale Abschüsse nach Übergriffen auf Nutztiere tragen ihr weiteres zum Rückgang der Löwenpopulationen bei.

Für die Löwen in Namibia und der Kalahari kommt als ernsthafte Bedrohung das feline Immunschwächevirus (FIV - oder «Katzen-Aids») hinzu. Während sich andere Löwenpopulationen in Süd- und Ostafrika vermutlich schon seit Jahrtausenden an dieses Virus anpassen konnten (Befall bis zu 80 Prozent), fehlte infolge geografischer Isolation den Namibia-Löwen diese Möglichkeit. Es ist zu befürchten, dass die kleine Restpopulation von rund dreihundert Individuen bei einer FIV-Epidemie in kurzer Zeit untergehen würde.

Schon vor Jahren haben Fachleute diese Gefahr erkannt und in südafrikanischen, damals löwenfreien Reservaten, FIV-freie Namibia-Löwen angesiedelt. Diese Bestände haben sich in der Zwischenzeit so gut entwickelt, dass nun als weiterer Schritt im Rahmen der Schutzmassnahmen Tiere in Zoohaltung gebracht werden können.

Der Zoo Basel, St. Louis Zoo (USA) und Oklahoma Zoo (USA) sind die ersten drei Institutionen, die Namibia-Löwen halten. Geplant ist eine vermehrte internationale Zusammenarbeit mit einer wachsenden Zahl auch europäischer Zoos. Das Ziel besteht darin, in Zoos eine genügend grosse Reservepopulation FIV-freier Löwen heranzuziehen für den Fall einer Epidemie durch das feline Immunschwächevirus im Freileben.

Warum im Zoo Basel in gewissen Situationen Jungtiere getötet werden

In der Natur werden immer mehr Jungtiere geboren, als Tiere im Erwachsenenalter zur Erhaltung einer Population benötigt werden. So werden Verluste durch Beutegreifer, Krankheiten, Umweltstress (z.B. Dürreperioden) und innerartliche Aggression bei den Heranwachsenden ausgeglichen. Demgegenüber sind die Verhältnisse bei der Haltung in Menschenobhut sozusagen unnatürlich optimal.

Es fällt deshalb in die Verantwortung des Tierhalters, in bestimmten Situationen eine Entscheidung zu treffen und nur einen Teil der Jungtiere aufzuziehen. Deshalb werden in Zoos Jungtiere in gewissen Situationen getötet, wenn sie nicht an geeignete Plätze abgegeben werden können. Das kann in denjenigen Lebensphasen der Jungtiere geschehen, in denen auch im Freileben die Verlustraten hoch sind. Im Falle der Löwen ist das die Zeit nach der Geburt, die Zeit des Entwöhnens und die gefahrvolle Übergangszeit, wenn Jungtiere beim Eintritt in die Geschlechtsreife im Alter von zwei bis drei Jahren das Rudel verlassen müssen.

Das Problem «überzähliger» Jungtiere kann nicht ausschliesslich durch Empfängnisverhütung gelöst werden. In Zoos gehaltene Wildtiere dürfen im Sinne einer artgemässen Tierhaltung in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht überfordert werden; sie sollen aber in ihrer Leistungsfähigkeit auch nicht unterfordert werden. Das vollständige Geschehen um die Fortpflanzung – Werbeverhalten, Paarung, Geburt und Aufzucht der Jungen – gehört zu ihrem Leben und auch zur Biologie, die der Zoo Basel zeigen will.

Geschichte der Löwenhaltung in Basel

1890 Erstes Raubtierhaus mit Löwen im Zoo Basel
1895 Erste Löwengeburt: zwei Männchen und ein Weibchen
1904 Eröffnung des zweiten Raubtierhauses, das etwa sechs Grosskatzenarten Platz bot.
1915 Gastspiel von "Alfred Schneiders Löwenarena" mit 30 dressierten Löwen
1937 Beginn detaillierter Aufzeichnungen des Löwenbestandes im Zoo Basel
1956 Eröffnung des dritten Raubtierhauses
1957 Von diesem Jahr an wurden im Zolli regelmässig junge Löwen geboren. Den Anfang machte das Pärchen «Rocco» und «Jane» aus dem Zoo Leipzig. Rocco wurde Vater von 23 Jungen, Jane brachte es sogar auf 34.
1997 Beschluss, das Raubtierhaus abzureissen und durch die Etoscha-Anlage zu ersetzen
2003 Eröffnung des Themenhauses Gamgoas und der Löwenanlage
2005 (Dezember) Erstmals gesunde junge Löwen im Haus Gamgoas. Die beiden Jungen Cabara und Catali reisten im April 2007 in den St.-Louis-Zoo (USA)
2007 Geburt von vier Löwenbabys am 11. Juni 2007.

Insgesamt kamen in den 70 dokumentierten Jahren rund hundert junge Löwen im Zolli zur Welt.

Seit dem Jahr 2003 können die Besucher diese Tiere in einer naturnah gestalteten Savannen-Landschaft beobachten. Zusammen mit Gehegen für Afrikanische Wildhunde und Geparde gehört die Löwenanlage zu den Themenhäusern Etoscha und Gamgoas.


Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Familienfrieden gefährdet

• Bericht und Fotos vom ersten Wurf


Klicken Sie hier, wenn Sie fortan bei neuen Artikeln dieses Autors benachrichtigt werden wollen!


Anzeige:

Deutsch



Nach oben


Copyright © 2003 by webjournal.ch

 

Die Funktion Newsletter ist wegen Spam blockiert. Schreiben Sie eine Mail an info(ad)webjournal.ch mit dem Betreff: «Bitte newsletter zusenden» Besten Dank für Ihr Verständnis.