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Artikel vom 19.03.2006

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Elsass - Kultur

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Auf ins Ecomusée d‘Alsace…

Das elsässische Freilichtmuseum startet in die Saison 2006 mit neuen Tarifen, insbesondere mit Vergünstigungen für Familien

Von Jürg-Peter Lienhard



Die Basler kennen zwar den Begriff «Charivari», aber ob sie wissen, was er bedeutet? Im Ecomusée d'Alsace jedenfalls können es die Basler erfahren. Foto: EM Ungersheim F © 2006



UNGERSHEIM (ELSASS).- Nach der üblichen Winterpause, in der vor allem infrastrukturelle Arbeiten ausgeführt werden konnten, hat das elsässische Freilichtmuseum Ecomusée d‘Alsace am Samstag, 18. März 2006, die Pforten fürs Publikum und für die Saison geöffnet. Obwohl das von der Politik sträflich vernachlässigte, aber für die regionale Wirtschaft fruchtbare Freilichtmuseum Investitionen in seine Infrastruktur selber bezahlen muss, versucht es für die Saison 2006 mit einer neuen und günstigeren Tarifstruktur mehr Publikum und damit mehr Einnahmen zu generieren.

Für den Gründer des Ecomusée d‘Alsace, Marc Grodwohl, bedeutet «Infrastruktur» all das, was der Besucher nicht sieht: Wasser- und Energieleitungen im Boden, Abwasser und Abfallbewirtschaftung, aber vor allem die verkehrstechnische Anbindung mit den Zufahrtsstrassen und dem lange gehegten Projekt eines direkten Anschlusses an die Bahnlinie Basel-Strassburg über die Station von Bollwiller. Da bremst die Politik unter dem Generalratspräsidenten Charles Büttner, der einen technischen Park in der Nachbarschaft des Ecomusée d‘Alsace derart favorisiert, dass nicht nur Riesensummen an Subventionen darin geflossen sind, sondern das Freilichtmuseum durch enorme Strassenbauten dafür quasi von öffentlichen Zufahrten ausgeschlossen worden ist.

150 Lohntüten jeden Monat…

Diese absolut unverständliche Haltung der elsässischen Politik hat das Ecomusée d‘Alsace im vergangenen Jahr in arge Geldnöte gebracht, denn die eigentlich von der Gemeinwirtschaft aufzubringenden Infrastrukturkosten, musste es aus seinem Budget für Betrieb und Ausbauprojekte selber bezahlen. Im Dezember 2005 hat dann Marc Grodwohl mit seinen 150 Festangestellten (!) eine Protestaktion in Colmar vor dem Generalrat durchgeführt. (Das webjournal.ch berichtete in Wort und Bild - siehe Link am Schluss).

Das nun ins 22. Betriebsjahr eintretende Freilichtmuseum ist das grösste von ganz Frankreich und mit 320‘000 Eintritten jährlich das meistbesuchte Museum auch (mit Ausnahme der Museen von Paris). Es umfasst bald einmal 100 historische Gebäude, die an ihrem Ursprungsort dem Abriss geweiht waren und im Ecomusée d‘Alsace Balken um Balken, Stein um Stein, wiederaufgebaut worden waren.

Da es sich vornehmlich um den elsässischen Fachwerk-Haustyp handelt, ist damit ein eigentliches Dorf entstanden, ein «museales» zwar - doch viele Gebäude werden neu genutzt als Werkstätten, Stallungen und Säle (inklusive Restaurant und den bildhübschen Fachwerkgebäuden der Hotelanlage), die je nach Saison fürs Publikum animiert werden und einen interessanten, lebendigen Einblick in vergangene Handwerke und andere Tätigkeiten geben.

Vom Mittelalter bis zur industriellen Gegenwart

Das Spektrum der Gebäude reicht von einem mittelalterlichen Wohnturm von der Befestigung Mülhausens aus der Zeit, als diese Nachbarstadt Basels als «zugewandter Ort» unter Schutz der alten Eidgenossenschaft stand, bis zu den 1975 aufgegebenen mächtigen Industrieanlagen der Pottasche-Mine «Rodolphe II». Letztere wurde 2004 für das Publikum zugänglich gemacht, das auf einem geführten Rundgang einen multimedial spektakulär animierten virtuellen Grubeneinstieg erleben kann.

Die Erlebnisqualität, die wiederkehrende Besuche lohnen, erhält und verbessert das Ecomusée d‘Alsace mit ständigen Erweiterungen und dem Ausbau von Animations-Angeboten - wofür ein Personalstock von rund 150 festen Mitarbeitern beiträgt, der in der Hochsaison nochmals um ebensoviele Teilzeitangestellte verstärkt wird.

Das Kreuz mit dem «T€uro»…

Mit der Einführung des Euro haben Rundungen und die damit verbundenen Preiserhöhungen allenorten die Lebenshaltungskosten verteuert, was vor allem Familien zu spüren bekommen haben. Weil das Ecomusée d‘Alsace die Infrastrukturausgaben selber bestreiten musste, musste es auch die Eintrittspreise stets progressiv anpassen.

Gleichwohl hat das Ecomusée d‘Alsace auf die Teuerung mit einer differenzierten Preispolitik reagiert, konnte diese aber für die Öffentlichkeit nicht wirksam kommunizieren. Zum Beispiel gab es Preisreduktionen für die Vor- und Nachsaison, und für sozial schwache Gruppen sowie für Schulen war der Eintrittspreis während den sechs Monaten ausserhalb der Hauptsaison von «symbolisch» bis «null» angesetzt. Keinen Erfolg zeigten die reduzierten Tarife für Teilbesichtigungen wie der Mine oder der Abendveranstaltungen.

105‘000 Solidaritätsbesucher in drei Wochen!

Dem Informationsmanko begegnete das Ecomusée d‘Alsace mit seiner Aktion «Notre Ecomusée on y tient» vom Spätherbst 2005. Ziel war es, die regionale elsässische Bevölkerung wachzrütteln über die fiananzielle Situation und sie zu einem Bekenntnis für das Freilichtmuseum mit einem Massenbesuch anzuregen. Während dreier Wochen kostete der Eintritt zwei Euro, und 105‘000 Elsässer folgtem dem Aufruf. Darunter waren viele, die vor Jahren mal das Ecomusée besucht hatten und dann meinten, «es gesehen» zu haben - sie kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus, wie sich das Museumsdorf entwickelt hatte (und was sie all die Jahre verpasst hatten…).

War durch den ungeheuren Aufmarsch der Erfolg allein schon überwältigend, so zeigte sich in den Reaktionen, dass die Arbeit des Ecomusée fast absoluten Rückhalt im Publikum findet. Aber: der Eintrittspreis, so gab die Mehrheit der Besucher, die die Gelegenheit zum Fast-Gratiseintritt wahrnahmen, auf den speziell verteilten Fragebogen an, sei unterm Jahr für Familien kaum tragbar.

Damit hatte Marc Grodwohl genau sein Ziel erreicht, nämlich den Beweis für die Auswirkungen der mangelnden Unterstützung für Ausgaben, die nicht Sache des Ecomusée d‘Alsace sind. Denn die schlagen sich eben auf den Eintrittspreis nieder.

320‘000 Bescuher im Jahr

Zwar sind von den 320‘000 jährlichen Besucher viele «Mehrfachbesucher», aber ihre Zahl nimmt ab. Ein stattlicher Anteil der Aktions-Besucher vom Herbst 2005 erklärte, dass sie bis vor wenigen Jahren zwischen vier und fünf Mal pro Jahr das Museum besuchten, es sich aber derart häufig aufgrund der gestiegenen Eintrittspreise nicht mehr leisten könnten.

Und genau diese Leute wären die eigentlichen Gratis-Werbeträger, zumal sie die stets von Jahr zu Jahr erstaunlicher werdende Entwicklung von den Anfängen mit bescheidenen 19 Gebäuden bis zum gegenwärtigen Zustand eines riesigen Museumsparks mitverfolgen konnten und ihre begeisterten Eindrücke in die Welt hinausposauten.

Circulus vitiosis durchbrechen

Bei der Auswertung der Fragebogen der Herbst-Aktion 2005 konnte befriedigt festgestellt werden, dass keine einzige der kritischen Anmerkungen hiess: «Es ist zu teuer dafür, was es bietet.» Hingegen notierte die überwiegende kritische Mehrzahl: «Es ist zu teuer für uns…»

Diesen circulus vitiosus zwischen fehlender öffentlicher Unterstützung und damit verbundener Erhöhung der Eintrittspreise will Museumsgründer Marc Grodwohl nun während der Saison 2006 mit einer «radikal umgebauten» Tarifpolitik begegnen, womit er hofft, mehr Besucher anlocken und damit gleichwohl auch die Einnahmen erhöhen zu können.

Das sind die neuen Tarife 2006

Die neuen Preise 2006 sollen denn laut Grodwohl «zu 100 Prozent» den Familien zugutekommen:

Eine Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen Personen in Begleitung von fünf Kindern unter 16 Jahren kostet gesamt 22 Euros für einen ganzen Besuchstag.

Noch günstiger ist der Halbtags-Eintritt ab 15 Uhr: 15.50 Euro. (Allerdings: das Museum schliesst abends zwischen um 18 Uhr - ein kompletter Rundgang liegt somit nicht drin, muss aber auch nicht sein, denn selbst Teilaspekte sind immer noch interessant genug, insbesondere für Kinder.)

Tagestarif für Einzelpersonen:

Erwachsene: 9,50 €
Kinder von 4 bis 16 Jahren: 6.50 €

Halbtagstarif (ab 15 Uhr):

Erwachsene: 6.50 €
Kinder von 4 - 16 Jahren: 5.50

Die Einzeltarife werden allerdings in der Hochsaison während der Monate Juli und August leicht angehoben, weil dann auch der Eintritt zur Mine und die Eisenbahnfahrt im historischen Panorama-Waggon inbegriffen ist.

Gruppen- und Sondertarife auf Anfrage. Siehe Untenstehender Link direkt zur Homepage des Ecomusée.

Das Ecomusée d‘Alsace ist ab März täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr.

Tel.: 0033389 74 44 74
EMail: contact@ecomusee-alsace.fr

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Homepage Ecomusée mit Infos (franz.)

• Stellungnahme des Ecomusée zur finanziellen Entwikclung (franz.) im Format PDF

• SOS Ecomusée - Artikel vom 13.12.2005

• Artikel vom 17.12.2005: «Ein Mann kämpft um sein Werk und für seine Leute»


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