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Artikel vom 06.02.2006

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J.-P. Lienhards Lupe

Fasnacht im Wandel

Eine Volkskundlerin, ein Berufsbasler, Geschäft Fasnacht, «Baseldytsch» und «Baseldütsch», und was alles im Fluss und dr Bach abgoht…

Von Jürg-Peter Lienhard



So sieht der originale Waggis aus, der kein «Gmiesbuur» und schon gar kein Bauer ist, sondern ein Randständiger, mit dem sich kein Elsässer gerne vergleichen lässt - aber das ist eine andere Geschichte…



Zwei stadtbekannte Persönlichkeiten werden am Sonntag, 12. Februar 2006, um 10 und um 22 Uhr auf Radio DRS I über die Basler Fasnacht und übers Schnitzelbänggle miteinandner in der Sendung «Persönlich» reden: Die emeritierte Volkskundlerin Christine Burckhardt-Seebass und «Dr Schorsch vom Haafebeggi 2», alias Heini Klauser. Fragen und Antworten, die wohl so nicht vorkommen, hier auf webjournal.ch.

«Emeritiert» heisst im Universitäts-Jargon «pensioniert», was aber nicht «aus dem Verkehr gezogen» heisst. Vielmehr müssen die «em» keine Pflicht-Vorlesungen mehr halten, forschen und publizieren aber bis zum Lebensende unentwegt weiter.

Der «Schorsch vom Hafebeggi 2» ist nie der hintersinnige, karikierende Schnitzelbänggler gewesen, sondern eher der Glaibasler, wohl Kleinhüninger Ruech, der es gerne mit dem faulen Spruch und grobem Witz hatte. Bezeichnend daher, dass er bei den BSG und nicht bei den Comité-Schnitzelbängglern auftritt - was allerdings inzwischen nichts mehr vordringlich mit der inhaltlichen Qualität zu tun hat, aber mit der Tradition der Schnitzelbangg-Gesellschaften.

Die Basler Fasnacht als Thema der Volkskunde ist gewiss berechtigt. Die Basler Fasnacht ist denn auch eng verknüpft mit der Entwicklung des Basler Volkes, den Bewohnern dieser Stadt und den Jahr für Jahr zunehmenden Fansachts-Touristen aus aller Welt. So ändert sich die Fasnacht von Jahr zu Jahr, so ändern sich ihre Protagonisten, so ändert sich ihre Seele.

Schon immer hat Frau Fasnacht es mit dem «Volk» zu tun gehabt, für das sie gewissermassen ein «Ventil» darstellt. Doch mehr und mehr wird sie zu einem «Event», einem perfekt durchorganisierten Umzug, dessen Marketingwert stets grösser und auch entsprechend gemanagt wird.

Das geht natürlich auf Kosten der «Qualität», die, wie immer man diese definiert, sich eben auch, und so schnell wie die Basler Bevölkerung, ändert: Gab es vor etwas über fünfzig Jahren noch larvenlose Handörgeler-Gruppen in Original-Trachten, verdrängen heute die polternden Guggemuusigen in zackigem Marschschritt die gemächlicheren Trommel- und Pfeifergruppen und Cliquen.

Die Kostüme werden immer ausgefeilter und oft zu abstrusen Grotesken verzerrt, wie beispielsweise der Waggis, dessen Ursprung dem Gedächtnis der Bevölkerung längst entfallen ist und fälschlicherweise für den «Gmiesbuur uuss Village-Neuf» gehalten wird. Trachtenkarikaturen, wie sie zu Anfang des letzten Jahrhunderts gerne verwendet wurden, sind verschwunden, weil die heutigen Landpomeranzen eben nicht mehr an ihrer Tracht zu erkennen sind - zumal die angefressensten Fasnächtler heutzutage eben auch aufs Land emigriert sind.

Apropos Emigranten: Jährlich mehren sich die «Fasnachts-Immigranten» unter den Larven der Aktiven; der Basler Dialekt ist einem Verdrängungswettbewerb ausgesetzt, wie er das ja auch im Alltagsleben ausserhalb der Fasnacht eben auch ist. Und apropos «Basler Dialekt», und das ist besonders verheerend für dessen Wertschätzung: das «Baseldytsch», war nie die Sprache der Basler, sondern allein diejenige des eingefleischten Clans des «Daigs», den vermögenden Immigranten aus calvinischtem Ursprung.

Das Fasnachts-Baseldytsch war stets eine Parodie auf die Sprache des «Daig»; das Basler Volk sprach (und spricht vielleicht noch so) wie der «Schorsch vom Hafebeggi 2». Das «Baseldytsch», auch «Dalbaneesisch» nach dem «Ghetto»-Quartier des «Daigs» persiflierend genannt, ist die Sprache des verhassten bürgerlichen Geldadels. Das kenntnislose Nachplappern der «Daigaffen»-Sprache durch Neureiche und Zugezogene, durch Snobs wie «-minu» und Konsorten, haben die Sprache der allgemeinen Eingeborenen derart in Verruf gebracht, dass «Bösewichte» in deutschweizerischen Kino- und Hörspiel-Produktionen eben jenes «spitz» anzuhörende Idiom der vergangenen (!) Grossbürgerkaste aus dem St.-Alban-Quartier sprechen müssen. Und damit baslerisch Sprechende in anderen Deutschschweizer Landesgegenden beinahe unmöglich machen, zumal in Zürich!

Die von «Berufsbaslern» verteilten Zensuren zur Aussprache des «Baseldytsch», dieses Mini-Minderheiten-Idioms und fasnächtlicher Parodie, verleiden der nachwachsenden Generation die Aufmerksamkeit zur Pflege des eigenheitlichen Dialektes. Zumal wenn diese Kritik in giftigen Leser- und/oder Zuhörer/Zuschauer-Reklamationen erfolgen.

Dann wird sprachpflegerische Kritik gegenüber dem zunehmenden Einfluss des Zürcher Fernsehens - in alle deutschweizerischen Idiome notabene - als Ärger empfunden: Heisst es jetzt «Zmittag» oder «Zmi-daag», oder heisst es «Chchinder», «Choop» oder «Kinder» und «Co-op»? Diese Kritik wird eben missverstanden als Rückgriff auf veraltete, aus rein reaktionären Motiven an «Daig»-Formen festhaltenden Ausdrücken wie «Gellerettli» oder «Baarabli».

Immerhin sind in Basel Übernahmen von den deutschen Fernsehanstalten wieder etwas aus der Mode gekommen, obwohl «Kiehlschrank» den «Yyskaschte», «Jungs» die «Buebe» verdrängt haben - dafür sind «cool» und «kids» dazugekommen. Und weil die Fasnacht mit der demographischen Veränderung der Basler Bevölkerung Schritt hält, wird es wohl nicht lange dauern, dass dereinst einmal Schnitzelbänggler sich als «Mustafa» oder als «Isfahim» aus irgendeinem der neuen «Beggi» oder «Campus» ankündigen…

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Ankündigung der Sendung «Persönlich» vom 12.2.2006

• Die Geschichte des «Waggis»


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