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Artikel vom 01.02.2004

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Mit Stumm unterwegs

Scharfe Klingen in feuchter Watte

«Play Strindberg» von Friedrich Dürrenmatt am Theater Biel-Solothurn

Von Reinhardt Stumm



Mehr und zugleich weniger Dürrenmatt: Regisseur Hans Ammann war bei der Uraufführung von Dürrenmatt als Assistent dabei und bringt nun eine eigene Interpretation. Auf dem Bild von links: Wolfgang Grabow (Edgar), Elisabeth Seiler (Alice) und Carlo Ghiradelli (Kurt). Foto: Patrick Pfeiffer, Konstanz © 2004

SOLOTHURN.- In ihrem Buch «Schauspieler - der schönste Beruf - Einblicke in die Theaterarbeit» erinnert sich Regine Lutz (die übrigens aus Basel stammt) an die Arbeit mit Friedrich Dürrenmatt, der«Play Strindberg» 1969 in der Basler Komödie selber inszenierte. Sie ist um Worte nicht verlegen.

Von Strindbergs Alice (in Todestanz) blieb, nach ihrer Ansicht, damals nicht viel mehr übrig als «ein grinsendes Gerippe mit zerfetztem Text». Das Stück erschien ihr als «halsbrecherischer Balanceakt zwischen grausigen Scherzen und philosophischen Trivialitäten». Die aus der Brechtschule kommende Schauspielerin suchte sich für Dürrenmatts Geisterbahnkomik eine Spielweise, die die teilweise «gefährlich platten Aussprüche dieser Alice» kälter und distanzierter und gläserner machten, als sie es bei Dürrenmatt waren.

Wie mit Rasiermessern gespielt

Und so, so gläsern, hart, auskristallisiert, so völlig humorlos (weil Humor ja so etwas wie Gemüt oder Empfindung vorausgesetzt hätte) hatte ich jene Inszenierung auch in Erinnerung - nicht im Detail, das wäre ja wohl auch über diese Jahrzehnte hinweg kaum möglich, aber der Grundton vergisst sich nicht! Es war wie mit Rasiermessern gespielt.



Regine Lutz hat sich sehr über den blöden Titel ihres Verlegers geärgert - zumal das Buch ja von einer Schauspielerin geschrieben wurde. Nichtsdestotrotz ist das Werk ein sehr empfehlenswertes Handbuch für Schauspieler, das aber auch Laien sehr interessante Einblicke in das Metier ermöglicht und gewissermassen auch eine wertvolle und spannend geschriebene Anleitung zum Verstehen der Theaterarbeit ist. Umschlagbild: Honoré Daumier «Dramatische Pose». Erschienen 1993 im Verlag Langen Müller, München.

Jetzt hat der Mann, der bei jener Uraufführung als Regieassistent dabei war, dasselbe Stück in seinem Theater selber inszeniert: Hans-Jörg Ammann im Theater Biel-Solothurn. Und wenn man Regine Lutz glauben will, dann darf man von dieser Inszenierung sagen, dass sie mehr Dürrenmatt ist als die damalige Uraufführung - und zugleich weniger. Mehr, weil sie der, wenn man so will, boshaften Gemütlichkeit, der kleinbürgerlichen Giftigkeit des Dürrenmatt-Textes näherkommt, weniger, weil Ammann die tödlich scharfen Klingen eines ausgehärteten Textes sozusagen in feuchte Watte packt. Der ätzende, tödlich verletzende Sadismus des Dialogs zwischen Alice (Elisabeth Seiler) und Edgar (Wolfgang Grabow) wirkt wie abgefedert, erscheint mehr als lang geübtes Spiel in Rollen, die längst festgeschrieben sind.

Übermächtiger Fritz

Im Programmbüchlein abgedruckt eine kurze Passage von Dürrenmatts eigener Hand, die belegt (und bestätigt), was Regine Lutz erzählt, auf welche Weise der Text (der auch), und aber auch die Spielweise damals entwickelt wurden. Dürrenmatt: «Der endgültige Text entsteht durch Ausschöpfung der verschiedenen theatralischen Situationen... Schauspielerartistik». Wobei wir das beinahe pejorative «Artistik» überhören wollen. Ein beinahe schon rührendes Schwarzweissfoto zeigt die Mannschaft damals bei einer Leseprobe. Natürlich Horst Christian Beckmann (Edgar) und Regine Lutz, den Co-Autor und Co-Regisseur Erich Holliger (das war er, ja!), und ganz rechts Hans J. Ammann. Hinten aber, übermächtig, Friedrich Dürrenmatt, der Fritz.



Carlo Ghiradelli (Kurt) mit Elisabeth Seiler (Alice) und Wolfgang Grabow (Kurt, hinten auf der Leiter) in der Inszenierung von Hans Ammann 2004. Foto: Patrick Pfeiffer, Konstanz © 2004

Die Solothurner (ich sah die zweite Vorstellung im Solothurner Theater) lachten viel - etwas zu viel für meinen Geschmack, vielleicht hatten sie aber doch auch hin und wieder eine Gänsehaut. Die sieht man ja im Theater nicht so gut.

Von Reinhardt Stumm

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