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Artikel vom 11.12.2005

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Rubrikübergreifendes

Rauchen ist tödlich - Dummheit nicht!

Was sich das Denner-Marketing gegen Warn-Packungsaufdrucke auf Zigarettenpackungen einfallen liess

Von Jürg-Peter Lienhard



Weil sich der Kleber, der keiner ist, nicht abknübeln lässt, hat Denner sich für seine Raucher-Konsumenten ins Zeug gelegt: Todeswarnung auf einem Zigarettenpäckli ohne Denner-Furz vorher… (Nachher-Bild am Schluss).



Wenn das nicht zynisch ist, dann ist Herr Gaydul ein Heiliger: Denner verhöhnt die Anti-Raucher-Aufdrucke auf Zigarettenpackungen und belohnt die Zigaretten-Kunden nicht nur mit einem Rabatt, sondern auch mit einem «Pariser» als «Schutz» gegen die Raucherwarnung!

Wer raucht, gefährdet seine Gesundheit, und die seiner Umgebung. Seit ich rauche, seit meinen ersten Erfahrungen mit Nielen (vor und im Gebüsch…), weiss ich, dass Rauchen ungesund ist. Das wissen alle Raucher. Und weil durch Funk und Fernsehen auch das Volk hinter den Bergen mit medizinischen Begriffen wie «Gefässe», «Venen» oder «Herzkrankheiten», «Lungen- und Speiseröhrenkrebs» vertraut gemacht worden ist, wird Rauchen auch in der Schweiz immer weniger salonfähig.

Was heisst da «salon»-fähig: Seit Sonntag, 11. Dezember 2005, ist Rauchen auch in den Zügen und Bahnhöfen des schweizerischen Schienennetzes ganz verboten und wird bestraft.

Seit kurzem verkaufen Kioske oder spucken Automaten Zigarettenpackungen nur noch aus, die mit einem Warnhinweis versehen sind. Diese Warnungen waren schon seit Jahren auf jedem in der Schweiz verkauften Päckli aufgedruckt - so klein, dass sie fast als Verzierung wirkten.

Jedes Päckli eine Todesanzeige

Jetzt neu (Herbst 2005) ist, dass die Zigaretten-Packungen mit einem unübersehbaren, schwarzumrandeten riesigen Kleber versehen sind - auf der Vorder- und auf der Rückseite. Genaugenommen sind es keine Aufkleber, sondern unmittelbar aufs Paket aufgedruckt, und zwar in einer Grösse, dass fast das ganze Paket und das Markenlogo der Zigaretten-Packungen verdeckt wird: «Rauchen ist tödlich. Fumer tue. Il fumo uccide.»

Auf der Rückseite wechseln sich die in den an Todesanzeigen gemahnenden Texte je nach Serie ab - auch da in den drei wichtigsten schweizerischen Landessprachen. Zum Beispiel: «Schützen Sie Kinder - Rauchen Sie nicht in ihrer Anwesenheit» oder «Rauchen macht impotent» oder «Wenn Sie rauchen, sterben Sie früher»…

Das nervt natürlich die Raucher, denn dass Rauchen ungesund ist, wissen sie zwar, wollen es aber nicht wahrhaben und verweisen gerne darauf: «Wer nicht am Rauchen stirbt, stirbt eben an etwas anderem…» Das tönt auch zynisch, selbst-zynisch, hat eben etwas schlagend Berechtigtes. Nur: So lange der Raucher lebt, zumal wenn er älter werdend immer noch raucht, kostet er der Gesellschaft Geld. Geld, das seine raucherbedingte Krankheiten verursacht: Gefässe, Lungenkrankheiten, Impotenz, Darm- und andere Krebse.

Warnungen gehen Rauchern an die Nerven

Und diese zunehmenden rauchertypischen Krankheiten schlagen sich auf die Krankenkassenprämien nieder, und Krankenkassenprämien schlagen aufs Gemüt der Bevölkerung und schlagen aufs Gemüt des Bundesrates, der die Prämienexplosion zu dämmen versucht. Eben, mit Massnahmen gegen Rauchen und damit gegen Kosten, die der Gesellschaft durch Rauchen entstehen…

Dass diese Todesanzeigen auf den Zigarettenpackungen den Rauchern an die Nieren gehen - auch ein durch Rauchen gefährdetes Organ - ist irgendwie verständlich. Der Unmut der eingeschworenen Raucher, die die Kassiererinnen stören mit dem Wunsch, die Antiraucher-Etikette doch vom Päckli abzuknübeln, ist auf Mitgefühl von Philipp Gaydul, dem Grosskind und Nachfolger des Denner-Frimengründers Karl Schweri, gestossen (Nichtraucher!): Flugs gab er grünes Licht seiner Marketing-Abteilung Tabak für eine «konsumentenfreundliche», sprich werbewirksame Aktion.

Kreativ ja, unmoralisch auch

Gayduls Kreative haben pfiffig ein Ding entwickelt, was nun seit ein paar Tagen in den Verkaufsstellen von Denner den genervten Rauchern auf Wunsch gratis abgegeben wird: Ein in den knallroten Denner-Firmenfarben bedrucktes Stück Karton, das, wenn man es auseinanderfaltet und eine Lasche umbiegt, zu einem «Pariser für Raucherwarnungen» wird. Indem man das deckellose Schächtelein einfach über das «verunzierte» Zigarettenpäckli schiebt - und sich kein schlechtes Gewissen um seine Gesundheit mehr machen muss.

Irgendwie witzig, wie da Denner geschaltet hat und die Vorschrift der Warnaufdrucke unterläuft. Die Idee wäre eigentlich eine Auszeichnung wert, wenn sie nicht eine zynische wäre. Und sie ist noch etwas: sie ist schizophren. Aber das sind nicht nur Raucher, sondern auch Autofahrer, Kinderschnitten-Fresser, Geiz-ist-Geil-Geile - und überhaupt die ganze abendländische Gesellschaft…




…und mit Denner-Furz nachher: Wahrlich krebs-rot…




Und das ist der Pariser gegen Todeswarnungen - ein Faltschächtelchen zum Selberbasteln. Braucht allerdings nur zwei Handgriffe und weder Leim noch Schere…




Scharfes neben Entschärftem und vergangenem Raucher-«Genuss». Alle Fotos: J.-P. Lienhard, Basel © 2005

Von Jürg-Peter Lienhard


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