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Artikel vom 14.01.2004

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Zolli

Fauler Kannibale

Winter im Zolli - da ist mächtig was los. Besonders im Vivarium, wo 97 Prozent aller Tiere des Basler Zoologischen Gartens zu sehen sind, wie die Medienvertreter am traditionellen Presse-Apéro vom 14. Januar 2004 feststellen konnten.

Von Jürg-Peter Lienhard



BASEL.- Pinguine liebens kalt, doch am Januar-Presseapéro stieg das Thermometer im Vergleich zur Sturmnacht zuvor, beinahe auf frühlingshafte Werte. Die befrackten Vögel konnten es gleichwohl nicht erwarten, bis sie zum Spaziergang aus ihrem Kühlschrank ins danebenliegende Freigehege watscheln konnten. Wie Stars aus der glitzernden Kinowelt wurden sie von einer Horde Fotografen und TV-Kameramänner empfangen.
Alle Fotos: J.-P. Lienhard, Basel © 2004

Sind nun Pinguine Vögel, Fische oder was? Die Kuratorin der Pinguine, Friederike von Hohwaldt, zählt sie eindeutig zu den Vögeln: Sie haben nämlich Federn - im Unterschied zu Haaren bei den Säugern oder Schuppen bei den Fischen. Der Fachmann spricht daher vom «Fliegen», wenn die Pinguine unter Wasser nach Beute «schwimmen», denn mit ihren Flügeln machen sie keine Schwimm-, sondern Flugbewegungen. Prüfen Sies nach: Strecken Sie Ihre Arme aus und versuchen Sie zu fliegen, und danach zu schwimmen; Sie werden dabei eben je nachdem ganz andere Bewegungen machen…



Pinguine «fliegen» unter Wasser; sie sind nicht nur deswegen Vögel, sondern auch weil sie ein Federkleid haben. Foto: Aus dem Film «Deep Blue»

Lassen wir die Fachfrau Hohwaldt gleich selbst zum Thema Pinguine zu Wort kommen:

Warum Pinguine den Winter lieben

Vor rund 25 Mio. Jahren waren Pinguine fast mannshoch und wogen bis zu 100 kg. Schon damals waren sie flugunfähig. Das Fliegen wurde zu Gunsten eines Lebens im Wasser aufgegeben. Den Vorteil des Fliegens, nämlich Nahrung zu suchen, sich vor Räubern zu schützen oder weite Strecken zurückzulegen, benötigen Pinguine nicht. Ihr Körper adaptierte sich an ein Leben im Wasser.



Allgemein haben Pinguine schwere Knochen (flugfähige Vögel haben z.T. luftgefüllte, leichte Knochen). Die Knochen der Flügel sind mitunter verschmolzen und zur einer Art Flosse umgewandelt. Die Beine sind weit hinten am Körper angebracht und dienen im Wasser als Höhenruder. Der ganze Körper ist extrem stromlinienförmig. Ihre aufrechte Haltung an Land ist somit ein Nebenprodukt ihrer Anpassung an das Wasser.

Zwölf Federn pro Quadratzentimeter Haut

Die Federn sind fest und fast fellähnlich. Sie sind 3 cm lang und besitzen an ihrer Basis Daunen, welche mit der sie umgebenden Luft eine gute Isolationsschicht bilden. Pro Quadratzentimeter Haut finden sich zwölf Federn, die dachziegelartig übereinander liegen und durch regelmässiges Einfetten wasserabweisend gemacht werden. Die Haut ist bei manchen Arten 0,4 Zentimeter und das Unterhautfett bis zu zwei Zentimeter dick. All diese Modifikationen erlauben es den Vögeln im Wasser zu «fliegen» und sich bei kalten Temperaturen an Land wie im Wasser aufzuhalten (der Wärmeverlust im Wasser ist 25 mal höher als an der Luft).

Durch ihren extrem stromlinienförmigen Körperbau erreichen sie CW- Werte, die zehn Mal besser sind als die der modernsten Autos, auch schwimmen sie doppelt so schnell wie der schnellste Mensch (7,2 km/h). Da sie, anders als ihre Luftverwandten, ihre Flügel auch aktiv hoch bewegen, können sie unter Wasser blitzschnell beschleunigen.



Nur beim Leben an Land läuft sich mit den kurzen Beinen eher beschwerlich. Aus diesem Grund haben jene Arten, die auf dem ewigen Eis der Antarktis leben, gelernt, sich liegend auf dem Bauch und durch Fuss-Antrieb vorwärts zu bewegen.

Kannibalisches Grossmaul

Ein ganz anderes Tier erregt im Vivarium kaum Aufmerksamkeit, weil es auch kaum sichtbar ist und gemäss Kurator Jermann weder nacht- noch tagaktiv ist, eher aber «tagpassiv»: Nämlich der Schmuck-Hornfrosch aus Südamerika. So ein Lurch sollte man sein, denn der hat es in sich: Er hockt einfach da, bewegt sich kaum und öffnet seine grosse Klappe nur, wenn eine «gebratene Taube» in Form eines fetten Insekts, einer Maus oder gar einer Ratte direkt in sein Breitmaul fliegt… Der wohnt wohl im Schlaraffenland von Brasilien, Argentinien, Pampas in Uruguay und Rio Grande in Süd Brasilien? Ja, so etwa gehe es dort zu, erklärte Jermann, denn wo der Hornfrosch hockt, da kreucht und fleucht es unablässig - wies eben so zugeht im Urwald.

«…und die Zähne sieht man nicht…»

Doch der Schmuck-Hornfrosch, der seinen Namen von den Zipfeln über den Augen und den leuchtenden Körperfarben hat, ist ein Einzelgänger - und dies vor allem aus Selbstschutz: Der frisst nicht nur alles, was an seinem Maul vorbeihuscht, fliegt, summt, sondern auch seine Artgenossen; er ist also ein «bekennender» Kannibale und schluckt mühelos seine «Mitmenschen» in derselben Grösse, wie er selbst ist. Er wird spielend so gross wie die Pranke eines ausgewachsenen Waldarbeiters.



Und er hat Zähne, doch die Zähne sieht man nicht…erinnert es einen an Brechts Haifisch: Denn sein Kopfskelett ist verstärkt, weil sein Oberkiefer stark bezahnt ist. Ein Biss dieses Kannibalen, kann sehr schmerzhaft sein, wusste Jermann wohl aus eigener Erfahrung zu berichten. So heisse es in Südamerika: Wenn ein Schmuck-Hornfrosch ein Pferd beisst, tuts dem Pferd nur weh, aber wenn das Pferd den Lurch beisst, stirbt das Pferd. Ursache sind die Gift-Drüsen, die über die Haut des Frosches verteilt sind.

Noch etwas «Spezielles» zeichnet diesen seltsamen Kerl im Basler Vivarium aus: Er kann seine Augen nach innen stülpen und dadurch grosse Futterbrocken helfen runterzudrücken…

Der lieblichste Paarungstanz der Natur

Etwas gemächlicher, fast poetischer geht es eine Station weiter im neu eingerichteten Aquarium der Seepferdchen zu. Da sind allerdings auch Seeigel, Haarsterne, Schnecken, Einsiedlerkrebsen und vor allem Algen aus Südaustralien mit angesiedelt. Augenfällig sind dabei aber bestimmt die Topfbauch-Seepferdchen aus Süd-Australien, die mit bis zu 30 Zentimetern eine der grössten Seepferdchen-Arten der Welt sind.

Seepferdchen werden zu Millionen für asiatische Arzneimittel und zu Souvernirzwecken gesammelt und getrocknet; sie haben ein knöchernes Aussenskelett. Die Fortpflanzung ist «fischuntypisch». Weibchen wählen Männchen nach Grösse und Blähbarkeit der typischen Bruttasche aus. Das Weibchen injiziert bis zu 400 Eier in die Bruttasche des Männchens, wo sich die Jungen bis zum Schlüpfen entwickeln. Die Geburt erfolgt in wehenartigen Schüben. Die Zucht von Seepferdchen gelingt im Vivarium seit vielen Jahren.

«Basels beste Sandwiches»

Am Ende des Zolli-Apéros gab der kaufmännische Direktor des Zollis, Brodmann, der Presse eine «interne» Information preis und bat auch gleich zum «Ausprobieren»: Die Cafeteria des Zollis beim Eingang war bislang im Winter geschlossen. Seit Mittwoch, 14. Januar 2004, bleibt sie jedoch auch im Winter geöffnet - und zwar mit einer Spezialität, die der Cafeteria-Leiter Daniel Balliet so ankündigte: «Basels beste Sandwiches», und die seine Co-Leiterin Susanne Husi gleich auftischen liess.

Brodmann erklärte zudem, dass weder die Cafeteria noch das Restaurant mit seinen Selbstbedienungsbetrieben verpachtet sind, sondern vom Zolli in eigener Regie bewirtschaftet werden. Dies habe den Vorteil, dass der Zolli eben auch Umweltmassnahmen wie der Mehrwegbecher, der immerhin 480 Mal wiederverwendet werden kann, durchsetzen kann - während die Verpachtung an einen Beizer den Nachteil hat, dass dieser eben den Profit und nicht den Umweltgedanken in den Vordergrund stellt. Gerade die Mehrwegbecher haben dazu geführt, dass im Zolli praktisch keine Abfälle der Besucher herumliegen. Bravo Zolli!

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

«Deep Blue» - der Kinofilm über die Welt der Meere ab 19. Februar 2004 im Kino.


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