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Artikel vom 25.07.2005

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Reusdals Räuspern…

Das eine ist die Bedingung des anderen

Immer billiger ist nicht geil, sondern schädlich und dumm

Von Mitch Reusdal



Die Blöden sind in der Mehrzahl und sind zu blöd, um zu merken, dass sie es sind, die für blöd gehalten werden, weil sie es halt eben sind: Media-Markt machts vor - in Holland gibts ebenso viele Blöde wie in der Schweiz, in Deutschland und anderswo. Im Falle von Media-Markt ist es zudem noch so, dass deren meiste Produkte, die nicht in Inseraten als Schrottpreis-Lockvogel-Artikel angepriesen werden, in der Regel viel teurer sind als in manchen Fachgeschäften! Und gerade diese Fachgeschäfte müssen oft dichtmachen, weil sie keine Chance gegenüber den Werbe-Dampfwalzen der kapitalkräftigen Grosshändler haben. (red.)



Tiefe Löhne wirken sich auf die Preise aus, tiefe Preise auf die Löhne. Die Katze beisst sich in den Schwanz, dem sie davonläuft, indem sie ihm nachjagt. Wo führt das hin?

Manchmal folgt die Realität der Prognose schneller auf dem Fuss, als man denkt. Am Abend sind die Vorhersagen vom Morgen überholt, wie bei der Wetterprognose. Oder bei der Börse, wo die Analysten immer recht haben, aber erst hinterher. Was ich vor ein paar Wochen schrieb, hat sich schon bestätigt und ist damit erledigt. Jeder Fortschritt bringt auf der Stelle einen Rückschritt hervor.



Eine Meldung lässt nicht einmal aufhorchen, sie erscheint unter vielen anderen Nachrichten: Coop muss 2000 Stellen abbauen. Der Preiskampf im Detailhandel oder die «Sortimentsverbilligung» («Prix Garantie»), wie es so kundenfreundlich heisst, hat zu einem Umsatzrückgang von 424 Millionen Franken geführt. Damit die Kasse stimmt, oder neutraler und wissenschaftlicher ausgedrückt, damit der «Lohnkostenanteil» bei zwölf Prozent beibehalten werden kann, müssen 2000 Arbeitsplätze aufgehoben werden.

Am Schluss kommt wohl der Tauschhandel

Das ist das Geschenk des Personals von Coop an die Kundschaft. Nicht auszudenken, was für Folgen sich aus diesem Karussell-Spiel ableiten lassen.

Geiz ist vielleicht geil, wer weiss. Aber umgekehrt ist auch gefahren: Billig einkaufen ist eine Form von Geiz, und dieser Geiz wirkt sich vernichtend aus. Wer nur Schnäppchen jagt, den schnappt das Schicksal am Ende selber.

Wenn die Produkte nichts mehr kosten dürfen, können auch keine Löhne bezahlt werden. Und wenn die Löhne sinken, müssen die Produkte billiger werden. Vielleicht ist das ökonomisch sinnvoll, aber sinkender Geldumlauf, wenn ich nur gerade das Notwendigste kaufen kann, ist natürlich wirtschaftlich ein aussichtsloses Unterfangen. Weil ich mir dann gerade noch Brot, Red Bull und Zahnpasta leisten kann, aber immer weniger Extras.

Wenn viele Menschen mit einem schmalen Lohn haushalten müssen, dann müssen auch die Einkäufe billiger werden. Aber billig einkaufen ist die Ursache, dass die Löhne sinken (gesenkt werden müssen). Das eine zieht das andere nach sich, zwingend. Am Schluss gelangen wir vielleicht zu einer neuen Form von Tauschhandel.

Anders gefahren wäre gescheiter: Mit höheren Löhnen bessere Produkte kaufen, die ihren Preis haben, und mit den Einnahmen Löhne garantieren, mit denen die Produkte bezahlt werden können. Dann haben auch die Produzenten etwas davon.

Ein Trost bleibt: Das entlassene Personal (oder das Personal, das keine Anstellung findet) weiss, wo es sich billig eindecken kann. Es bleibt ihm auch kaum eine andere Wahl. Das ist der Motor der negativen Entwicklung.

Die einen arbeiten für die anderen

Zugleich muss der Teil des Personals, der noch geblieben ist, die Arbeit der Entlassenen ausführen. Denn nur der Umsatz in Franken ist zurückgegangen, nicht aber die Menge der Arbeit, die ausgeführt werden muss.

Auch da gibt es einen versteckten Zusammenhang. Der arbeitende Teil des Personals unterstützt den entlassenen Teil beim Einkaufen. Eine Form von klandestiner Solidarität.

Aber das alles sind vielleicht Überlegungen, die von einem ahnungslosen, naiven Verständnis für die Verhältnisse zeugen und die Entwicklung, wie sie sich abzeichnet, übersehen. Denn bis in 20 Jahren kommen die Grossverteiler sowieso gänzlich ohne Kassenpersonal aus. So sehen es neueste Studien voraus, die natürlich die weitere Entwicklung wiederum beschleunigen. Der Kunde schiebt seine Waren in einen Registriertunnel und bezahlt am anderen Ende mit der Kreditkarte.

Auch diese Horror-Perspektive hat eine positive Erklärung, wenn man eine sucht. Sinnlose Arbeit wird abgeschafft, und die Menschen übernehmen als «freie Kreative» intelligentere Aufgaben in anderen Dienstleistungsbereichen, zum Beispiel als Sicherheitspolizisten in den Hochsicherheits-Fussballstadien.

Andere Vorschläge bitte an die Redaktion richten.

Von Mitch Reusdal

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Coops diskrete Meldung in der Presse

• Frankreichs «neue Knauser» handeln ideologisch

• Philosophisches zum Thema Geiz


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