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Artikel vom 11.03.2005

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Mit Stumm unterwegs

Ein Traum von Wirklichkeit

«Elzéard Bouffier – der Mann, der Bäume pflanzte» im Theater am Bahnhof in Dornach

Von Reinhardt Stumm



Dürr und karg: Das Logo des Theaters am Bahnhof in Dornach (CH) - aber ohalätz, dort geht die (Theater-)Post ab!



Thomas Fuhrer ist der Erzähler dieser wundervollen Geschichte aus der Feder des provenzalischen Schriftstellers Jean Giono: Eine wundervolle Geschichte. Ein Einsiedler, Elzéard Bouffier, ein Schafhirte, ein Bauer, ein Träumer, aber einer, der zupacken kann, pflanzt Bäume.

DORNACH (CH).- Der Erzähler der Geschichte, der in den Drômebergen, in den Bergen des Sisteron wandert, begegnet ihm irgendwo – die Durance ist nicht weit, jener windungsreiche Fluss, der aus den Bergen herab in die Rhône fliesst. Er wird über Nacht aufgenommen, bleibt, geht, kommt wieder, die Verbindung zwischen den beiden Männern ist geheimnisvoll, aber offen und sichtbar ist, was Elzéard tut. Der Besucher beobachtet ihn am ersten Abend beim Sortieren von Eicheln – die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen -, weiss noch gar nicht, was es soll, bis er begreift, dass der Hirte die Eicheln sät.

Eine wundervolle Geschichte. Ein dickköpfiger Mann, der sich weder um den Ersten noch um den Zweiten Weltkrieg kümmert, zieht in der Haute-Provence Bäume hoch. Ein stummer, sturer, unermüdlicher Schöpfer macht aus abgestorbenen Tälern grüne Landschaften, zieht jahrzehntelang an jeder Wirklichkeit vorbei hierhin und dorthin, ein unermüdlicher Diener der geschändeten Natur.

Nochmals: Eine wundervolle Geschichte…

Eine wundervolle Geschichte. Erfunden, erhofft, erlebt. Geschrieben von Jean Giono (1895-1970), dessen Übername «Le Voyageur Immobile» nicht materiell verstanden werden darf, sondern spirituell verstanden werden muss.

Giono war Schriftsteller; seine Bibliographie verzeichnet über siebzig Titel (die meisten sind bei Grasset und Gallimard zu finden), Pazifist, war Kriegsdienstverweigerer, der im Ersten Weltkrieg in Verdun kämpfte, der für seine Überzeugungen einstand und dafür nach dem Zweiten Weltkrieg mit fünf Monaten Gefängnis büsste. Ein Idealist, der seine Geschichten in der Hoffnung, Gutes bewirken zu können, buchstäblich verschenkte.



Unscheinbar, gar «bahnhöflich» wirkt der Theater-Ort Dornach mit seinem Theater am Bahnhof - und doch: Hier gibts (Theater-)Überraschungen allemal!



Schon 1957 forderte der in Manosque/Basses Alpes geborene Provenzale eine «politique de l’arbre«». Auf «Elzéard Bouffier – der Mann, der Bäume pflanzte» (1953) war er vor allem anderen stolz. Hier läuft vieles von dem zusammen, was ihn auszeichnet: Heidnisches Lebensgefühl und die ersehnte Verflechtung von Menschlichkeit und Kreatürlichkeit. Erdhaft, sinnlich und voller Groll gegen die moderne Zivilisation.

Eine wundervolle Geschichte ist gut zu erzählen. Thomas Fuhrer ist leicht und intensiv, bewahrt sich das Staunen und uns das Vergnügen, ist erdhaft und doch urban und alles andere wäre gelogen, ist eindringlich und vermag doch zu spielen. Pierre Massaux hat als Regisseur das Klügste getan, was er tun konnte: er liess ihn ungehindert ins Ziel laufen. Gab ihm aber eine Art Prolog, der nicht von Giono stammt, sondern eher von Typen wie Bankchef Ackermann – eine nachempfundene Rede zur Jahresversammlung der Aktionäre mit der ganzen Kaltschnäuzigkeit und überlegenen Glätte des Managers, der sein Recht auf Erbarmungslosigkeit aus seinem Auftrag ableitet: Profit um jeden Preis.

Kafkaeske Szenen

Fuhrer macht das schön, smart, cool, die Szene wird kafkaesk, wenn die Sprache den Hurendienst verweigert und sich sperrt. Der fliessende Wechsel von da zu Gionos Geschichte ist der Wechsel von Wirklichkeit zu Utopie, von täglichem erduldeten Wahnsinn zu Öffnung und Weite.

Eine gute Stunde. In jedem Sinn des Wortes!

Das Gastspiel ist zu sehen im Theater am Bahnhof in Dornach. Es gibt leider nur noch zwei Vorstellungen: am Samstag, 12. März, 20 Uhr und Sonntag, 13. März 2005, 17 Uhr.

Information: Schauspiel Thomas Fuhrer, Regie Pierre Massaux
«Elzéard Bouffier», ist die Geschichte eines Hirten, der auf seinen Wegen Eicheln aussät und so nach und nach einen kargen Landstrich wieder in eine blühende Landschaft verwandelt.

Ein Drama zwischen Ausbeutung, Egoismus, Vernichtung, einerseits - Bescheidenheit, Erhaltung der Natur und langfristiger Investition andererseits. Eine einfache, grosszügige Geschichte; eine berührende Schilderung und Hymne an die Natur von Jean Giono.

Eintritt 30 CHF; ermässigt 23 CHF
Gruppenreduktion für Schulklassen

Von Reinhardt Stumm


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