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Artikel vom 13.08.2009

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Ottokars Cinétips

Ein visuelles Grossereignis

Film noir, Komödie, Melodram und eine Film-im-Film-Story - quer durch die Genres und Zeiten schickt Regisseur Pedro Almodóvar seine Helden und Heldinnen in «Los abrazos rotos» - jetzt im Kino Atelier

Von Ottokar Schnepf



Thematisch kreisen alle Filme von Almodóvar um die Komplexe Liebe, Sex und Tod. Dazu erzählt er uns (unter anderem) in seinem neuesten Œuvre eine Geschichte, die so alt ist wie die Kunst: von der Liebe eines Künstlers zu seiner Muse. Und daneben spielt Almodóvar auch mit dem Kino, den grossen Filmdiven und unseren Gefühlen. Dabei wird nicht nur Penélope Cruz von ihrer Vergangenheit eingeholt.


Als eine Art Wiedergängerin von Catherine Deneuve aus Bunuels «Belle de jour» führt Lena ein Doppelleben als Sekretärin und Callgirl, um den schwer kranken Vater zu unterstützen. Ihr Chef wird auch ihr Kunde und sogar Lebensgefährte. Gegen dessen Willen beschliesst sie, Schauspielerin zu werden.

Dabei lässt Almodóvar sie in die Fussstapfen weiterer Kinodiven treten - von der Femme fatale zur platinblonden Schönheit à la Marilyn Monroe und zur jungen Audrey Hepburn mit der frechen Pony-Frisur aus Billy Wilders «Sabrina».



Doch das sind die am leichtesten erkennbaren Rückgriffe auf die Kinogeschichte. Abenteuerlicher wird es, wenn «Los abrazos rotos» zum Film noir (das Geschehen führt von der Gegenwart in die Vergangenheit) wird und eine Film-im-Film-Story schildert. Zusammen ergibt das summa summarum einen verschlungenen Weg durch verschiedene Zeit- und Wirklichkeitsebenen.

Eine Suche, bei der in einer Schublade versteckte und zerrissene Fotos zu einer Erzählung zusammengesetzt werden, verschollen geglaubte Filmrollen wieder auftauchen, ein erblindeter Regisseur mit zwei Namen (Mateo Blanco und Harry Caine) doch noch den Final Cut seines letzten Projekts verwirklichen kann und sich seine Geschichte wieder zu eigen macht.

Dabei arbeitet Almodóvar ständig mit Fährten und Irritationen: Warum hängen in Mateos/Harrys Wohnung die gleichen knallbunten Plastikkreuze wie in der seiner langjährigen Agentin? Verweist das Pop-Art-Gemälde zweier Schusswaffen in der Villa des Finanztycoons und Lenas Liebhaber auf ein mörderisches Ereignis? Was eigentlich soll der blinde Mateo/Harry sehen, wenn er nach dem Läuten durch das Guckloch seiner Türe schaut?

Als Zuschauer fühlt man sich wie ein Kriminalist auf der Suche nach versteckten Hinweisen, wenn zum Beispiel Mateo/Harry sagt «So was gibt es nur im Film», als Lena ihm weismachen will, ihre Verletzung am Knie rühre von einem Sturz auf der Treppe.

Das Treppenhaus ist nämlich eine echte Ikone des Kinos. In den beiden Noir-Filmen «Leave Her To Heaven» (1945) stürzt sich die schwangere Gene Tierney absichtlich die Treppe hinunter; Richard Widmark lässt in «Kiss Of Death» (1947) eine gelähmte Frau eine Treppe hinabstürzen.

Die unzweifelhaft berühmteste Treppenszene der Kinogeschichte stellt aber sicher die grosse Freitreppe in «Panzerkreuzer Potemkin» dar, wo Eisenstein einen Kinderwagen die Treppe hinab purzeln lässt.



Und an was erinnert uns das Paar am unteren Bildrand, das Mateo/Harry auf der Ferienfoto entdeckt? Natürlich an das in einem Londoner Park aufgenommene Foto aus Antonionis «Blow Up» (1966), das erst nach seiner Vergrösserung eine im Gebüsch versteckte Leiche erkennen lässt.

Warum sehen sich Lena und Mateo im Fernsehen Roberto Rosselinis Film «Viaggio in Italia» (1945) an? Der Film erzählt vom Zerbrechen einer Ehe. Mit dem Rückgriff auf die Kinogeschichte schützt Almodóvar seine Helden und Heldinnen auch vor sich und ihren Passionen. Sie stehen plötzlich nicht mehr allein da, finden in ihren filmischen Vor-, Ab- und Vexierbildern Trost und Rückhalt.

Fazit: Pedro Almodóvar versteht es wie kein zweiter, Figuren zu entwerfen, vor denen wir in jedem anderen Film flüchten würden. Doch diese hier sind mit einer solchen Liebe charakterisiert und von den Mimen so glänzend gespielt, dass wir einfach hingerissen sind. Vor allem von der schönen Hauptdarstellerin Penélope Cruz.



Von Ottokar Schnepf


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